Therapietreue bei MS – darum ist es so wichtig

Seit 14 Jahren lebe ich nun schon mit Multipler Sklerose. Während all den Jahren versuchte ich verschiedenste medikamentöse Therapien aus. Leider hatte ich mit schlimmen Nebenwirkungen zu kämpfen wie zum Beispiel: Fieberschübe oder Ausschlag am ganzen Körper, Magenbrennen, Übelkeit und Haarausfall.

Dazu kam, dass ich zwischendurch immer wieder MS Schübe erlitt, obwohl ich mit Medikamenten dagegen ankämpfte. Irgendwann wurde mir das zu viel und ich gelang an dem Punkt wo ich selber zu mir sagte: „Ob mit oder ohne Medikamente die Schübe plagen mich immer wieder!!“ Ich fing an die Medikamente unregelmässiger einzunehmen oder zu spritzen. (Je nach Therapie) Ich hatte keine Lust mehr auf all die Nebenwirkungen. Für 2-3 Monate ging es mir gut damit und ein kleiner Schimmer Hoffnung machte sich in mir breit. „Vielleicht brauchst du ja gar keine Therapie?“ „Vielleicht bin ich ja jetzt geheilt?“

Wie gesagt nach 2-3 Monaten kam dann aber die böse Überraschung. Eines Morgens erwachte ich und bemerkte, dass mein Sehvermögen nicht mehr so war wie am Tag davor. Ausserdem hatte ich einen schlimmen Schwindel welcher meine Koordination beeinträchtigte. Ich konnte nur schwer geradeaus gehen. Ein wirklich heftiger Schub für mich. Ausserdem hatte ich grosse Angst, denn ich hatte noch nie Probleme mit meinen Augen. Das gleiche Spiel wie jedes Mal, ich musste mich einer Kortison Therapie unterziehen. Dadurch wurde ich dick, meine Haut wurde schlecht und ich bekam stechende schmerzen im Rücken. Es braucht immer sehr viel Zeit bis sich der Körper vom Kortison erholt und es gibt ja schliesslich auch keine Garantie dafür, dass das Kortison meine Symptome abklingen lässt.

Natürlich ist der Frust während so einer Zeit noch grösser. Ich habe grosse Angst bekommen. Gedanken schossen mir durch den Kopf wie zum Beispiel:
„Werde ich eines Tages wieder normal sehen können?“ „Was passiert mit mir wenn die Symptome nicht mehr verschwinden?“
In dieser Zeit war es mir unmöglich zu arbeiten. Ich sah nur sehr schlecht und den Arbeitsweg konnte ich sowieso unmöglich bewältigen. Zuhause gab es auch nicht viel für mich. Kein Fernseher, Kein Buch einfach nichts. Ich blieb oft tagelang im Bett im Dunkeln und jedes Mal wenn ich aus dem Zimmer herauskam, hoffte ich dass sich meine Augen erholt hatten und ich nun besser sehen könnte.

Das war eine äusserst schwierige Zeit für mich. Das schlimmste was ich jedoch während dieser Zeit fühlte waren die Gewissensbisse. Ich machte mir selber grosse Vorwürfe weil ich die Medikamente einfach abgesetzt hatte ohne Rücksprache mit niemandem. „Jetzt bist du selber Schuld Lucile!“ „Das geschieht dir ganz schön recht!!“ „was hast du dir bloss dabei gedacht?!“

Ich war am Ende. In diesem Moment gab es leider niemand der mir sagen konnte, wie lange dieser Zustand noch anhalten würde. So harrte ich die Zeit die es brauchte aus. Nach ungefähr 2.5 – 3 langen Monaten ging es mir endlich besser. Komischerweise hatte sich mein Sehvermögen nach dem Schub verbessert und ich musste mir eine neue Brille zulegen.

Die Multiple Sklerose hat so viele Gesichter und irgendwie bin ich im Nachhinein froh, diese Erfahrung gemacht zu haben. Vielleicht brauchte ich diese Erfahrung um wirklich wahr zu haben wie schlimm es kommen kann. Es ist unheimlich wichtig dass ich Medikamente zu mir nehme welche meine MS in Schach hält. Von heute auf morgen das Augenlicht zu verlieren ist schlimm und deshalb bin ich umso dankbarer, dass sich das alles so gut erholt hat und ich wieder sehen darf. Trotzdem spannend, dass mich der Gedanke dass ich eines Tages wieder gesund werde nicht loslässt. Irgendwie überrascht mich das selber und ich finde es schön. Ich trage immer noch Hoffnung in mir.

«Hope is the companion of power, and mother of success; for who so hopes strongly has within him the gift of miracles.»  – Samuel Smiles

Herzlichst,

eure Lucile