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Leben

Leben mit MS

Ein selbstbestimmtes Leben verleiht Stärke. Finden Sie Ihren eigenen Weg im Umgang mit Multipler Sklerose in Familie, Partnerschaft und Beruf. Auch Ernährung und Bewegung können Sie stark für den Alltag mit der Erkrankung machen.

Diagnose – was nun?

Informationen für die ersten Schritte auf Ihrem neuen Lebensweg

«Diese Diagnose ist wie eine Befreiung. Endlich haben meine Beschwerden einen Namen!». Für Menschen ohne Multiple Sklerose (MS) sind diese Worte vermutlich schwer verständlich. Doch viele Betroffene beschreiben den Moment ihrer Diagnose so ähnlich. Sie sind froh, endlich Klarheit zu haben. Vielleicht haben sie eine zeit- und energieraubende Odyssee hinter sich. Vielleicht fingen sie an zu zweifeln, ob ihre Beschwerden tatsächlich eine körperliche Ursache haben.

Multiple Sklerose, die «Krankheit der 1000 Gesichter», zeigt sich mit vielen, sehr unterschiedlichen Symptomen. Kaum eine Patientin oder ein Patient hat alle Symptome. Häufig treten die Beschwerden eher plötzlich auf und können im Prinzip auch andere Ursachen haben als MS. Darum ist der Weg zur Diagnose für viele Betroffene mit Irrungen und Wirrungen verbunden. Die Gewissheit, dass eine bekannte Krankheit der Grund für die eigenen Beschwerden ist, kann dann befreiend sein – und ein Schock zugleich.

MS ist eine chronische, fortschreitende und unheilbare Krankheit. Dass eine solche Diagnose einen erst einmal aus der Bahn wirft, ist völlig normal. Unzählige Fragen drehen plötzlich im Kopf und lassen keine Ruhe mehr: Warum hat es mich getroffen? Verliere ich jetzt meine Unabhängigkeit? Wird mir jemand helfen? Was wird aus meinen Plänen? Aus meiner Familie? Aus meinem Job?

Wieder Tritt zu fassen in seinem gewohnten Leben, braucht Zeit und Kraft – und gelingt vielleicht auch nicht auf eigene Faust. Es ist ein Prozess. Wir haben im Folgenden einige Gedanken und Informationen zusammengestellt, die Ihnen am Anfang dieses Prozesses hoffentlich hilfreich sind.

Sich Zeit nehmen fürs Verarbeiten und Bewältigen

Es ist völlig normal, wenn die Diagnose MS viele Fragen und eine grosse Verunsicherung bei Ihnen auslöst. Sie fragen sich, was die Diagnose für Ihr gewohntes Leben bedeutet, für Ihre Liebsten, für Ihre Pläne und für Ihren Beruf. Mit Sicherheit wird es Veränderungen geben. Doch wie zahlreich und gross sie sein werden und vor allem wann sie eintreffen werden, lässt sich zum Zeitpunkt der Diagnose nicht abschätzen. Der Krankheitsverlauf ist individuell sehr unterschiedlich. Viele Betroffene leben – nicht zuletzt dank grosser Fortschritte bei der Behandlung – über Jahre hinweg ohne grössere Einschränkungen.

Wichtig ist, dass Sie sich Zeit nehmen, um den Schock der Diagnose zu verarbeiten und sich mit der neuen Situation auseinanderzusetzen. Und seien Sie sich bewusst: Menschen reagieren sehr unterschiedlich auf die Diagnose MS. Dabei gibt es kein Richtig oder Falsch, sondern nur den für Sie passenden Weg. Sie allein entscheiden, wie dieser Weg aussieht und wieviel Zeit er in Anspruch nimmt. Nicht jede Frage muss sofort beantwortet sein. Nicht alles muss sofort geregelt werden. Finden Sie stattdessen heraus, was Sie jetzt am meisten brauchen und wo Sie das bekommen. Informieren Sie sich und treffen Sie keine überstürzten Entscheide. Nehmen Sie Unterstützung aus Ihrem Umfeld an oder fragen Sie gezielt danach.

Menschen reagieren sehr unterschiedlich auf die Diagnose MS. Dabei gibt es kein Richtig oder Falsch, sondern nur den für Sie passenden Weg.

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Diese drei Bereiche beschäftigen Sie zum Zeitpunkt der Diagnose vielleicht ganz besonders:

Starke Emotionen

Eine persönliche Krisensituation – und das ist eine MS-Diagnose zweifellos – ruft starke Emotionen hervor und verletzt das Selbstwertgefühl. Das ist völlig natürlich. Verunsicherung, Wut, Trauer, Angst oder Verzweiflung erleben viele Betroffene in dieser Situation. Die Ursache der MS lässt sich nicht behandeln. Der Verlauf der Krankheit und damit ihre Auswirkungen auf den Alltag sind nicht vorhersehbar. Das macht die Situation besonders schwer zu ertragen. Dieser Kontrollverlust belastet die Psyche. Selbst wenn ein Schub überstanden ist und die Symptome wieder zurückgehen, schwebt die Diagnose weiterhin wie ein Damoklesschwert über dem Leben. MS-Betroffene müssen lernen, mit Unsicherheiten zu leben.

Die gute Nachricht ist: Es gibt Strategien, um mit diesen starken Emotionen und dem Gefühl des Kontrollverlustes umzugehen. Es kann beispielsweise helfen, die Krankheit vorübergehend beiseitezuschieben und zu verdrängen. Oder aktiv zu werden und sich zu informieren. So werden Sie zum Experten für die eigene Krankheit und fühlen sich weniger ausgeliefert. Finden Sie die für Sie richtige Bewältigungsstrategie. Das Infoblatt «Diagnose MS – was nun?» von der Schweizerischen MS Gesellschaft gibt Ihnen hierfür konkrete Tipps. Suchen Sie sich Unterstützung, wenn Sie das möchten.

Partner, Partnerin, Familie oder Freunde sind wichtige Stützen beim Umgang mit belastenden Gefühlen. In der Regel sind sie die richtigen Ansprechpersonen und sind gerne für Sie da, um gemeinsam einen Weg aus dem Tief zu finden. Doch wenn dies nicht gelingt und die psychische Belastung Sie zu erdrücken droht, sollten Sie rechtzeitig den Kontakt zu einer psychotherapeutisch oder psychiatrisch ausgebildeten Fachperson suchen. Depressive Verstimmungen oder Depressionen sind bei MS-Betroffenen überdurchschnittlich häufig. Trotzdem werden sie nicht immer erkannt oder angemessen behandelt. Typisch für eine Depression sind Hoffnungs- und Gefühlslosigkeit, Interessenverlust, Schuldgefühle, Selbstabwertung und eventuell körperliche Beschwerden wie Schlafstörungen oder Appetitlosigkeit über eine längere Zeit. Nehmen Sie solche Zeichen ernst und suchen Sie fachmännische Hilfe.

Körperliche Beschwerden

In der Regel steht ein MS-Schub am Anfang der Diagnose. In einer solchen akuten Phase macht sich die Krankheit mit neuen oder stärkeren Symptomen bemerkbar. Es gilt dann, den Schub unter Kontrolle zu bringen. Nachher folgt meist eine Phase der Ruhe. Doch die Verlaufsformen sind individuell sehr unterschiedlich. Ebenso vielfältig sind die Behandlungskonzepte, die zum Einsatz kommen. Dazu gehört mehr als Medikamente: Die Therapie vereint meist verschiedene Fachbereiche wie Medizin, Physiotherapie und Ergotherapie, Logopädie, Rehabilitation, Neuropsychologie oder psychologische Beratung. So können spezifische Beschwerden gezielt behandelt werden.

Die Therapie der MS hat grosse Fortschritte gemacht. Heutige Medikamente können die Krankheit zwar nach wie vor nicht heilen, doch sie können den Verlauf bremsen oder mildern und störende Symptome effizient behandeln. Eine koordinierte Therapie durch verschiedene Fachpersonen führt zu einer besseren Lebensqualität der Betroffenen.

  • Jede fünfte MS-Betroffene hat einen milden Verlauf und selbst nach 10 Jahren kaum Einschränkungen.
  • Drei von vier Betroffenen führen auch nach Jahren ihr Leben selbstständig und weitgehend ohne Hilfsmittel.
  • Weniger als die Hälfte der MS-Betroffenen ist im Krankheitsverlauf auf einen Rollstuhl angewiesen.
  • MS-Betroffene haben eine fast normale Lebenserwartung.


Die MS wird zur Begleiterin für Ihr Leben – dasselbe gilt für Ihren Arzt. Das sollten Sie sich bewusst sein. Die Diagnose hat vermutlich ein Neurologe gestellt. Bis zur Diagnose hatten Sie wohl kaum mit ihm zu tun. Doch er wird rasch zu einer zentralen Bezugsperson von Ihnen werden und Sie in Zukunft begleiten. Da ist es wichtig, dass sie sich gut verstehen, einander vertrauen und offen kommunizieren können. Wenn die «Chemie» stimmt, ist das ideal. Wenn sie nicht stimmt, kann es sinnvoll sein, dass Sie den Arzt wechseln. Auf dem Infoblatt «Arzt-Patienten-Beziehung» der Schweizerischen MS Gesellschaft finden Sie gute Tipps für die Suche nach dem richtigen Arzt. Es beschreibt auch mögliche Stolpersteine auf dem Weg zu einem vertrauensvollen Verhältnis zwischen Ihnen und Ihrem behandelnden Arzt.

Geistige Einschränkungen

Haben Sie zum wiederholten Mal eine wichtige Pendenz vergessen? Fällt es Ihnen ungewohnt schwer, sich zu konzentrieren? Neben den körperlichen Beschwerden leiden viele MS-Betroffene unter Problemen mit der geistigen Leistungsfähigkeit (Kognition). Besonders im Beruf, aber auch im privaten Umfeld, kann sich das bemerkbar machen und die Betroffenen verunsichern. Dazu gehören beispielsweise Schwierigkeiten mit dem Gedächtnis, mit der Aufmerksamkeit oder mit der Konzentration. Die Betroffenen haben vielleicht Mühe, Handlungen zu planen, oder sie stellen fest, dass ihr Reaktionsvermögen schlechter geworden ist. Kognitive Beeinträchtigungen können sogar die ersten Anzeichen einer MS sein und unabhängig von körperlichen Symptomen auftreten. Gut möglich also, dass Sie bereits zum Zeitpunkt der Diagnose solche Probleme bei sich festgestellt haben.

Es ist wichtig zu betonen, dass es sich hier um Einschränkungen bei ganz bestimmten Denkprozessen handelt. Keinesfalls ist es so, dass Ihre MS Sie weniger intelligent macht. Die MS-bedingten Entzündungsherde im Hirn können dazu führen, dass gewisse Hirnfunktionen beeinträchtigt oder Verbindungen zwischen Hirnarealen unterbrochen sind. Das äussert sich darin, dass gewisse geistige Arbeiten langsamer oder weniger gut ablaufen. Welche Leistungen betroffen sind, ist von Patientin zu Patient sehr unterschiedlich. Darum ist es wichtig herauszufinden, in welchen Bereichen die Einschränkungen genau liegen und ob tatsächlich die MS der Grund ist. Auch andere Ursachen wie Müdigkeit, Stress und Überarbeitung oder eine andere Erkrankung wie beispielsweise eine Depression kämen nämlich infrage.

Nur wenn klar ist, welche kognitiven Teilleistungen von der MS betroffen sind, können Sie etwas dagegen unternehmen. Und genau das sollte Ihr Ziel sein! Sie sind diesen Veränderungen nämlich nicht hilflos ausgeliefert. Durch gezieltes Training lassen sich die Funktionen erhalten oder gar verbessern. Einfache Strategien können helfen, die Einschränkungen zu «überlisten». Sie werden den Unterschied merken. Ihre Verunsicherung wird schrumpfen und Ihr Selbstvertrauen wird wachsen. Falls Sie also Probleme im kognitiven Bereich bei sich feststellen, sollten Sie Ihren Arzt unbedingt darauf ansprechen.

Unterstützung

Nachfolgend finden Sie eine Auswahl von Organisationen, die eine breite Palette von Informations- und Unterstützungsangeboten zur Verfügung stellen:

Schweizerische Multiple Sklerose Gesellschaft

https://www.multiplesklerose.ch/de/

Die Schweizerische Multiple Sklerose Gesellschaft versteht sich als erste Adresse bei MS in der ganzen Schweiz und steht Betroffenen, Angehörigen, Fachpersonen, Freiwilligen und Interessierten für Fragen rund um die Krankheit zur Verfügung. Ein breites Spektrum an Dienstleistungsangeboten hilft im Leben mit MS. Dazu zählen beispielsweise die MS-Infoline, Regionalgruppen und Selbsthilfegruppen sowie verschiedene Online-Plattformen.

EQUILIBRIUM

https://www.depressionen.ch/

Im Verein EQUILIBRIUM engagieren sich Menschen, die sich mit dem Thema Depression auseinandersetzen: Weil Sie selbst von einer Depression betroffen sind oder es in Ihrem Umfeld – in der Familie, am Arbeitsplatz, im Verein usw. – Menschen gibt, die an Depressionen leiden.

EnableMe Schweiz

https://www.enableme.ch/de

Hinter dem Portal EnableMe steht die gemeinnützige, operative und spendenfinanzierte Stiftung MyHandicap. EnableMe bietet Informationen, Unterstützung und Austausch zu Behinderungen und chronischen Krankheiten. Das Ziel von EnableMe ist es, betroffenen Personen und ihren Angehörigen eine möglichst grosse Hilfe zur Selbsthilfe zu offerieren.

avanti donne

https://www.avantidonne.ch/

avanti donne ist ein von Eigeninitiative, Selbstverantwortung und Kreativität geprägtes Netzwerk von und für Frauen mit einer Behinderung. Ihre behinderungsübergreifende Ausrichtung macht avanti donne in der Schweiz zu einer einzigartigen Anlaufstelle und Vernetzungsplattform. Im Gesundheits- und Sozialwesen hat avanti donne sich als Drehscheibe für Fragen zum Thema Frau und Behinderung etabliert. Ganz gleich, um welche Art von Beeinträchtigung es geht, ob Sie persönlich betroffen, als Angehörige oder beruflich interessiert sind am Thema Frau, Gesellschaft und Behinderung: bei uns sind Sie richtig!

AGILE.CH

https://www.agile.ch/

Die Organisationen von Menschen mit Behinderungen engagiert sich seit 1951 dafür, dass aus dem Traum «Inklusion» Realität wird. AGILE.CH ist eine Selbsthilfeorganisation. Sie wird von Menschen geführt, die selbst von Behinderungen betroffen sind. Als Dachverband vertritt sie die Interessen von 40 Behindertenorganisationen im Sinne einer nationalen Behindertenpolitik. Die Mitgliedorganisationen repräsentieren Menschen aller Behinderungsgruppen und ihre Angehörigen.

Partnerschaft mit MS

Informationen für Sie als Bezugsperson einer MS-Betroffenen

Die Diagnose einer chronischen Erkrankung stellt das Leben auf den Kopf. Am meisten jenes der direktbetroffenen Person. Aber auch für Menschen aus ihrem Umfeld ist plötzlich vieles anders. Egal, ob Sie Partner, Familienmitglied, Freundin, Nachbar oder Arbeitskollegin einer chronisch kranken Person sind, auch für Sie stehen auf einmal unzählige Fragen im Raum.

In der Schweiz bekommt im Durchschnitt eine Person pro Tag die Diagnose Multiple Sklerose (MS) gestellt. Häufig geht der Diagnose eine lange Zeit der Suche und Verunsicherung voraus. Die betroffene Person spürte vielleicht schon länger, dass etwas nicht stimmt. Dennoch kann es dauern, bis die Diagnose MS eindeutig feststeht. Die «Krankheit der 1000 Gesichter» zeigt sich nämlich ganz unterschiedlich. Die Beschwerden können auch andere Ursachen haben.

Sie haben die lange Suche vielleicht hautnah miterlebt. Wie die Betroffene selbst, sind Sie vielleicht sogar froh, jetzt endlich Klarheit zu haben. Doch was MS genau ist und was die Diagnose für Ihr Zusammenleben bedeutet, das ist für Sie vermutlich alles andere als klar. Wir möchten Ihnen hier ein paar Orientierungspunkte bieten, um mit der neuen Situation zurecht zu kommen – und Ihrer Bezugsperson mit MS eine Stütze zu sein.

Sich mit MS auseinandersetzen

Sehr wahrscheinlich haben Sie schon von MS gehört, wissen aber nicht, was die Krankheit genau bedeutet. Wenn wir einen Sachverhalt nicht genau kennen, haben wir die Tendenz, vom schlimmstmöglichen Szenario auszugehen – selbst wenn es das unwahrscheinlichste aller Szenarien ist. Darum ist es sinnvoll, wenn Sie sich eingehend über MS informieren. Wissen gibt Sicherheit. Auf der Webseite Fokus Mensch finden Sie viele Informationen. Auch die Schweizerische Multiple Sklerose Gesellschaft ist eine wichtige Anlaufstelle für alle Fragen rund um MS. Sie steht explizit auch Angehörigen und anderen Bezugspersonen von MS-Betroffenen zur Verfügung. Auch Blogs von Betroffenen können Ihnen hilfreiche Informationen bieten. Versuchen Sie, wenige aber dafür seriöse und kompetente Quellen zu nutzen.

Für Ihre MS-betroffene Bezugsperson ist natürlich das medizinische Behandlungsteam die wichtigste Informationsquelle. Wenn es für Sie beide stimmt, könnten Sie Ihre Bezugsperson ja zu einem nächsten Termin begleiten. Vier Ohren hören mehr als zwei. Sie können beim Arzt nachfragen, wenn etwas unklar ist, und das Gesagte im Nachhinein mit der Betroffenen besprechen.

Je mehr Sie selbst über MS wissen, desto leichter fällt es Ihnen, Betroffene gezielt zu unterstützen und Verständnis für ihre Situation aufzubringen. Doch Achtung: Ihre Bezugsperson zieht es vielleicht vor, sich weniger genau zu informieren. Oder nur zu ganz bestimmten Aspekten der Erkrankung. Auch das gilt es zu akzeptieren und die Betroffene keinesfalls mit dem eigenen Wissen zu bevormunden. Die Betroffene selbst ist die «Expertin» für Ihre Erkrankung. Seien Sie einfach für die Betroffene da, wenn Sie etwas mit Ihnen besprechen möchte.

Seinen eigenen Weg der Bewältigung finden

Wir haben es bereits angesprochen: Menschen reagieren sehr unterschiedlich auf Schicksalsschläge. Jede und jeder geht anders mit einer Krise um. Einige verdrängen die belastende Realität, andere stehen einfach unter Schock und wieder andere werden aktiv und wollen alles ganz genau wissen. Sie werden rasch merken, welche Strategie Ihrer Bezugsperson am nächsten liegt. Doch vielleicht verstehen Sie nicht alle ihre Reaktionen. Es ist gut möglich, dass Sie einen anderen Weg wählen würden, wenn Sie selbst betroffen wären. Doch darum geht es nicht.

Das Wichtigste ist, dass Sie Ihre Bezugsperson auf dem von ihr gewählten Weg der Bewältigung unterstützen. Am meisten bringt es der betroffenen Personen, wenn Sie für sie da sind, gut zuhören und versuchen herauszufinden, was sie am meisten von Ihnen braucht. Das muss nicht zwingend dem entsprechen, was Ihnen als richtig und hilfreich erscheint. Gleichzeitig müssen Sie auch darauf achten, dass Sie selbst nicht zu kurz kommen und Ihren eigenen Weg im Umgang mit der Krise finden. Je nach Grad der Belastung kann der auch darin bestehen, kompetente Unterstützung von aussen anzunehmen.

Der Zeitpunkt der Diagnose ist jedenfalls nicht der Moment für überstürzte Entscheide oder einschneidende Veränderungen. Vermutlich hat ein MS-Schub zur Diagnose geführt. Darum gilt es erst einmal, diesen Schub unter Kontrolle zu bringen. Ist die Krankheit anschliessend in eine Ruhephase übergegangen, bleibt genügend Zeit, sich gemeinsam mit der neuen Situation auseinanderzusetzen. Dann ist es vielleicht sinnvoll, die aktuelle Wohn- oder Arbeitssituation genau zu analysieren. Der Arzt oder andere Fachpersonen sowie spezialisierte Beratungsstellen können Sie hier unterstützen.

Unsicherheit verständnisvoll annehmen

Es ist eine Eigenheit der MS, dass sich die Krankheit von Person zu Person sehr unterschiedlich entwickelt und dass sich diese Entwicklung nicht vorhersagen lässt. Häufig verläuft die MS in Schüben, mit Ruhephasen dazwischen. Die Länge der Ruhephasen, die Intensität der Schübe und die Beschwerden, die allenfalls über den Schub hinaus bestehen bleiben, sind individuell verschieden. Ebenso vielfällig sind die möglichen Beschwerden. Je nachdem, wo und wie stark das Nervensystem durch die Krankheit geschädigt ist.

Die Diagnose MS bedeutet darum sowohl für die direktbetroffene Person wie auch für Sie als Bezugsperson vor allem eines: Unsicherheit. Sie werden lernen müssen, mit Unsicherheit zu leben. Sich ändernde Umstände oder neue, vielleicht unerwartete Bedürfnisse der MS-Betroffenen verlangen von Ihnen viel Flexibilität und Toleranz. Dabei geht es nicht nur um eine eingeschränkte körperliche Mobilität, an die Sie beim Thema MS vielleicht als erstes denken. MS-Symptome, die von aussen nicht sichtbar sind, können sich ebenfalls stark auf das Zusammenleben auswirken. Gerade zu Beginn einer MS stehen sie häufig im Vordergrund. Nachfolgend gehen wir auf drei Symptomfelder etwas näher ein:

1. Eingeschränkte Mobilität

Die Vorstellung, dass MS zwangsläufig ein Leben im Rollstuhl bedeutet, trifft heute nicht mehr zu. Die Behandlung der MS hat enorme Fortschritte gemacht. Beschwerden lassen sich wirkungsvoll lindern. Die Chancen stehen gut, dass sich früh im Krankheitsverlauf für die Betroffenen erst mal wenig ändert. Viele können über Jahre hinweg mit wenigen Einschränkungen leben. Drei von vier Betroffenen sind auch nach Jahren noch in der Lage, ihr Leben selbstständig und weitgehend ohne Hilfsmittel zu führen. Weniger als die Hälfte braucht wegen ihrer MS jemals einen Rollstuhl. Überstürzte Umbauten oder andere Anpassungen sind darum eher nicht zielführend. Sinnvoller ist es, Ruhe zu bewahren und sich an den tatsächlichen Bedürfnissen der Betroffenen zu orientieren.

2. Fatigue und Schmerzen

Viele Symptome sieht man den MS-Betroffenen nicht an. Dennoch haben sie einen grossen Einfluss auf das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Betroffenen. Diese unsichtbaren Beschwerden sind für Aussenstehende schwer fassbar und bergen darum ein gewisses Konfliktpotenzial. Die Fatigue zum Beispiel, eine rasche, starke Ermüdbarkeit, kann bereits früh im Krankheitsverlauf auftreten. Sie ist schwer zu beschreiben, doch sie schränkt die Betroffenen stark ein. Das gleiche gilt für Schmerzen – ebenfalls ein häufiges MS-Symptom. Fatigue und Schmerzen können dazu führen, dass gemeinsame Pläne kurzfristig geändert werden müssen. Dass Ihre MS-betroffene Bezugsperson Sie vielleicht nicht auf den Ausflug begleiten kann oder sich ausserstande fühlt, wie vereinbart Freunde zu treffen. Da sind Verständnis, Flexibilität und vielleicht auch Improvisationsgeschick gefragt. Das ist nicht leicht. Doch machen Sie sich bewusst, dass solche Absagen einzig und allein der Krankheit geschuldet sind und nicht der Geringschätzung Ihrer Person oder Ihrer gemeinsamen Pläne.

3. Stimmungsschwankungen und kognitive Einschränkungen

Stimmungsschwankungen und kognitive oder psychische Auswirkungen sind weitere unsichtbare Beschwerden, die bereits früh im MS-Verlauf möglich sind. Sie belasten die Betroffenen und können im Umfeld zu Unverständnis und Konflikten führen. Denn vielleicht reagiert die betroffene Person ungewohnt ungeduldig, aufbrausend und gereizt. Vielleicht ist sie aber auch traurig und antriebslos. Es kann auch sein, dass sie vermehrt Dinge vergisst oder Probleme hat, sich zu konzentrieren oder einem Gespräch zu folgen. Möglicherweise ist sie mit Planungsschritten überfordert.

Denken Sie daran: Der Grund für solche Veränderungen ist nicht, dass Ihre Bezugsperson Sie weniger schätzen würde. Oder sich weniger für Sie interessieren würde. Viel wahrscheinlicher ist es, dass diese emotionalen und kognitiven Veränderungen in einem Zusammenhang mit der MS stehen. Je nachdem, welche Teile des Nervensystems von Entzündungsherden betroffen sind, kann sich das in Gefühlsschwankungen und Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit bemerkbar machen. Vielleicht sind es aber auch Nebenwirkungen von Medikamenten oder die belastende Situation rund um die Diagnose und die ungewisse Zukunft – oder eine Kombination von allem!

Sich dessen bewusst zu sein, hilft Ihnen hoffentlich, in schwierigen Momenten Ruhe zu bewahren und Verständnis zu zeigen. Das ist nicht immer einfach, aber Ihre Bezugsperson braucht Sie jetzt vermutlich mehr denn je. Wenn Sie spüren, dass die emotionale Belastung für Sie selbst zu gross wird, dann zögern Sie nicht, Unterstützung zu suchen. Sei es durch Personen in Ihrem Umfeld oder durch spezialisierte Fachpersonen. Auch als indirekt von MS-betroffene Person können Sie sich beispielsweise an die Schweizerische MS Gesellschaft wenden.

4. Umgang mit sexuellen Störungen

Multiple Sklerose kann zu Symptomen führen, die sich auch auf die Sexualität auswirken können. Dazu zählen beispielsweise Erektionsprobleme, Scheidentrockenheit oder eine eingeschränkte Libido. Außerdem können durch Nervenschäden hervorgerufene Empfindungsstörungen im Rückenmark die Lust auf körperliche Zärtlichkeiten mindern. Chronische Erschöpfung (Fatigue), Spastik, Blasenstörungen oder Schmerzen können das Verlangen ebenfalls negativ beeinflussen.

Dennoch können MS-Patienten ein erfülltes Sexleben haben, indem die jeweiligen Symptome gezielt behandelt werden. Häufig können bereits einfache Hilfsmittel wie Gleitcremes Abhilfe schaffen. Auch eine Gesprächs- oder Paartherapie kann helfen, wenn die sexuellen Probleme psychische Ursachen haben: zum Beispiel bei Angst, die Erwartungen des anderen nicht erfüllen zu können. Weitere Informationen zu Partnerschaft und Sexualität trotz Beeinträchtigung finden Sie auf der Website von EnableMe.

Ein Paartherapeut oder ein Psychologe können Ihnen helfen, wenn die Kommunikation mit dem Partner nicht klappt.

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Seine neue Rolle finden

Wie oben beschrieben – und wie Sie vielleicht bereits selbst erfahren haben – wird die MS-Diagnose an Ihrer zwischenmenschlichen Beziehung nicht «spurlos» vorbei gehen. Eingespielte Abläufe und gewohnte Rollen werden sich mit grosser Wahrscheinlichkeit verändern. Dies, weil die MS-betroffene Person – zumindest vorübergehend – gewisse Dinge nicht mehr leisten kann. Verantwortlichkeiten müssen neue besprochen und Aufgaben neu verteilt werden. Das erfordert einen offenen Dialog, sowie Flexibilität und Kreativität auf beiden Seiten. Hören Sie der MS-betroffenen Person gut zu und verzichten Sie darauf, sie zu bevormunden. Unterstützen Sie sie stattdessen in ihrer Selbstständigkeit und ermutigen Sie sie zu einem selbstbestimmten Leben. Springen Sie dort ein, wo Sie tatsächlich gebraucht werden. So werden Sie Ihre neue Rolle finden und den gemeinsamen Weg mit der Krankheit MS positiv bewältigen.

Familienleben mit MS: Ein sicherer Hafen

Wenn ein Familienmitglied an MS erkrankt, hat das Auswirkungen auf das gesamte Zusammenleben. Zu den ganz normalen Herausforderungen des Familienalltags können plötzlich körperliche oder kognitive Beeinträchtigungen hinzukommen – und natürlich die generelle Unsicherheit zum weiteren Krankheitsverlauf. Dies zu bewältigen, erfordert viel Kraft und ein hohes Mass an Flexibilität, Kreativität und Organisationstalent. Wer kann Haushalt und Einkauf übernehmen, wer die Kinder betreuen, wer das gesunde Elternteil entlasten? Erarbeiten Sie gemeinsam einen Plan: Beziehen Sie wenn möglich Ihre Angehörigen, Freunde oder Nachbarn frühzeitig mit ein und informieren Sie möglichst umfassend über Multiple Sklerose. Durch mehr Kenntnisse über die Erkrankung und die damit verbundenen Bedürfnisse, können sich die beteiligten Personen besser auf die gegebene Situation einstellen.

Beziehen Sie auch Kinder mit ein – sie merken, wenn etwas nicht stimmt und wollen wissen, was los ist.

Kinder haben ein besonders feines Gespür dafür, wenn es Mama oder Papa nicht gutgeht. – und zwar egal, wie alt sie sind. Die MS ihnen gegenüber zu verschweigen, fördert Verlustängste, Schuld- oder Schamgefühle. Deshalb sollten Sie auch mit Ihren Kindern ehrlich über die Multiple Sklerose sprechen und ihnen dabei immer die Möglichkeit geben, ganz offen zu erzählen, was sie denken und fühlen. So können Sie gemeinsam nach Antworten suchen und Pläne schmieden – sei es für den nächsten Familienausflug, den Urlaub oder einfach nur für den Alltag.

Unbeschwerte Zeit mit der Familie zu verbringen ist für viele MS-Patienten eine wichtige Stütze im Umgang mit der Erkrankung. Viele praktische Lösungen für das Familienleben mit MS bietet auch die Website MyHandicap.

Bekanntschaft mit MS

Wie Sie Unsicherheiten überwinden und zusammen einen guten «Start» haben können

MS ist eine chronische Erkrankung, die schubweise oder – je nach Krankheitsform bzw. -stadium – langsam fortschreitet. Sie begleitet die Betroffenen in der Regel über Jahre oder Jahrzehnte hinweg. So werden die Betroffenen mit der Zeit zu regelrechten «MS-Profis». Sie sind Spezialisten für ihre MS, denn jede MS ist anders. Sie wissen, was ihnen guttut und was die Beschwerden vielleicht eher verstärkt. Selbst wenn die MS immer unberechenbar bleibt, so können Betroffene in der Regel einen «schlechten» Tag mit vorübergehenden, wenig gravierenden Symptomen von einem möglichen MS-Schub unterscheiden.

Ähnliches gilt für Personen, die einer MS-Patientin oder einem MS-Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose nahestanden und es auch Jahre später immer noch tun. Also zum Beispiel Partner, Familienmitglieder, Freunde oder Arbeitskollegen. Auch sie wissen mit der Zeit ziemlich genau, was ein Leben mit MS mit sich bring. In vielen Gesprächen und gemeinsamen Erfahrungen haben sie gelernt, was die oder der MS-Betroffene wann am meisten braucht und wie mit der «besonderen Situation» am besten umzugehen ist.

Doch was ist, wenn man einen erfahrenen «MS-Profi» neu kennenlernt? Wenn man sich sympathisch ist, man die Person mag oder sich vielleicht sogar zu ihr hingezogen fühlt? Oder wenn man zum Beispiel neu mit einer Person zusammenarbeitet, die seit Jahren mit MS lebt. Selbst hat man vielleicht noch kaum etwas von MS gehört. Man weiss vielleicht einzig, dass es sich um eine schwere Krankheit handelt, die immer schlimmer wird. Das verunsichert einen natürlich. Es stellt sich die Frage: Wie soll ich einer Person, die seit Jahren mit MS lebt, begegnen? Was soll ich tun – was gerade nicht?

Die letzte Frage ist einfach, zu beantworten – und ist gleichzeitig auch der allerwichtigste Punkt in diesem Zusammenhang: Auf keinen Fall sollten Sie – allein aufgrund der MS Ihres Gegenübers – es vermeiden, offen auf diese Person zuzugehen. Ausser natürlich, Ihr Gegenüber bringt dies klar zum Ausdruck. Wagen Sie den Schritt, selbst wenn Sie sich unsicher fühlen! Es gibt ein paar Dinge, die Sie dabei beachten können, um Ihre Unsicherheit abzubauen und zusammen hoffentlich einen guten «Start» zu haben. Auf diese Dinge möchten wir in diesem Beitrag näher eingehen und hoffen, dass sie Ihnen bei der Kontaktaufnahme mit einem «MS-Profi» hilfreich sind.

Sich über MS informieren

Information ist das beste Mittel gegen Verunsicherung! Wenn Sie also noch kaum etwas über MS wissen, dann informieren Sie sich. Auf unserer Webseite finden Sie ausführliche Informationen über die unterschiedlichen Aspekte von MS. Auch auf der Webseite der Schweizerischen MS Gesellschaft finden Sie ausführliche und verlässliche Informationen. Es gibt heute unzählige weitere Quellen wie Webseiten, Blogs, Bücher, Videos, Podcasts oder Beratungsstellen. Achten Sie dabei aber unbedingt auf die Verlässlichkeit der Quelle.

Sie werden bei Ihrer Recherche viel erfahren, was Sie vorher nicht wussten, oder was Ihr vielleicht unvollständiges oder falsches Bild von MS korrigiert. Gleichzeitig werden Sie selbst nach einer ausführlichen Recherche immer noch weit weniger gut über MS Bescheid wissen als Ihr direktbetroffenes Gegenüber. Vor allem werden Sie die MS von dieser Person – also die Eigenheiten, die jede MS hat – noch nicht kennen. Aber das generelle Wissen über MS ist eine gute und wichtige Grundlage für den nächsten Schritt:

Mit der direktbetroffenen Person sprechen

MS-Betroffene lernen «ihre» MS mit der Zeit sehr gut kennen. Sie lernen, mit ihrer Erkrankung zu leben, ohne dass die MS ihr Leben bestimmt. Betroffene haben in der Regel auch viel Erfahrung darin, über ihre MS zu sprechen. Denn sie sind auf Verständnis und allenfalls auch Unterstützung aus ihrem Umfeld angewiesen. Gleichzeitig machen viele Betroffene in diesem Zusammenhang auch negative Erfahrungen. Sie wurden vielleicht zurückgewiesen oder Menschen haben sich von ihnen abgewandt, nachdem die betroffene Person von ihrer MS erzählt hatte.

Es kann also «knifflig» sein, zusammen über MS zu sprechen. Auf Ihrer Seite bestehen vielleicht Unsicherheiten, bei Ihrem Gegenüber möglicherweise schlechte Erfahrungen. Trotzdem loht sich der Versuch, wenn Sie beide sich näherkommen möchten oder zusammen eine gute Zeit verbringen möchten. Hier ein paar konkrete Tipps, damit das Gespräch hoffentlich gelingt:

Was machen bzw. sagen? Sagen Sie Ihrem Gegenüber, dass Sie gerne über MS sprechen möchten, und fragen Sie, ob die betroffene Person dazu bereit ist. Wenn Sie sich beim Thema MS unwohl oder unsicher fühlen, sollten Sie das offen ansprechen. Ihr Gegenüber merkt es ohnehin, doch es entspannt die Angelegenheit, wenn die «Stolpersteine» benennt werden.

Selbst wenn Sie schon ausführlich zum Thema MS recherchiert haben oder andersweit Erfahrung mit MS haben: Vermeiden Sie es unbedingt, Ihrer Gesprächspartnerin oder ihrem Gesprächspartner Ratschläge zu erteilen. Betroffene bekommen in ihrer MS-Zeit meist mehr als genug davon. Und nicht zuletzt möchten Sie ja etwas über die MS Ihres Gegenübers lernen. Viel besser sind also Fragen und Aussagen im Sinne von: «Wie geht es Dir tatsächlich?», «Ich bin da, wenn Du mich brauchst.» und «Was sollte ich Deiner Meinung nach über MS wissen?»

Was besser nicht sagen? Manchmal sagen wir Dinge, die eigentlich gut gemeint sind, aber beim Gegenüber ganz anders ankommen. Häufig hat das mit der persönlichen Erfahrung des Gesprächspartners zu tun. Eine Person, die schon länger mit MS lebt, hat schon viele solche Gespräche geführt und ziemlich sicher viele verschiedene Erfahrungen gemacht – positive wie negative. Darum hier einige Dinge, die Sie vermeiden sollten, um Ihr Gegenüber nicht zu verletzen oder keinen «wunden Punkt» zu treffen:

«Man sieht Dir die Krankheit gar nicht an.» Viele MS-Symptome sind von aussen nicht zu erkennen, z. B. Fatigue, Schmerzen, Gedächtnisprobleme oder Sehstörungen. Dennoch können sie die Lebensqualität der Betroffenen massgeblich beeinträchtigen. Dein Eindruck zu erwecken, dass nicht existiert, was äusserlich nicht sichtbar ist, kann MS-Betroffene verletzen. Besser fragen Sie offen und neutral nach dem Befinden Ihres Gegenübers.

«Du bist müde? Mir geht’s auch so!» Fatigue, wie sie viele MS-Betroffene erleben, ist nicht mit «normaler» Müdigkeit zu vergleichen. Es sind zwei völlig verschiedene «Paar Schuhe». Fatigue kann eine solch überwältigende Müdigkeit bzw. Energielosigkeit bedeuten, dass selbst einfache Tätigkeiten unmöglich sind oder häufige Unterbrüche für Erholungspausen nötig machen. Viele Betroffene können gewisse Aktivitäten schlicht nur dann ausführen, wenn die Energie dafür reicht, und müssen Pläne kurzfristig ändern. Aus ihrem Umfeld Verständnis für diese besondere Situation zu erhalten, ist für MS-Betroffene sehr wertvoll.

«Ich kenne auch jemanden mit MS. Er/sie hat …» Nicht umsonst wird MS die «Krankheit der 1000 Gesichter» genannt. Es gibt unterschiedliche Formen von MS. Zudem leidet jede Patientin bzw. jeder Patient an einer individuell unterschiedlichen Kombination von Symptomen. Zu verallgemeinern, ist also schwierig. Besser ist es, diese Unterschiede anzuerkennen und Ihr Gegenüber nach seiner persönlichen Situation zu fragen.

«Ich habe von einer Diät gehört, die MS heilen kann.» Auch wenn diese oder eine ähnliche Äusserung vermutlich gut gemeint ist, so hat sich eine Person, die solches sagt, wahrscheinlich in einer zweifelhaften Quelle informiert. Solche «Wunder» gibt es bei MS leider nicht. Stattdessen ist es wichtig, sich auf Ansätze zu konzentrieren, die erwiesenermassen einen Nutzen bringen. Wer seit Jahren mit MS lebt, kennt sich da aus – und wird Sie vermutlich gerne darüber informieren.

Mit Personen sprechen, die in einer ähnlichen Situation wie Sie sind

Nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch Personen, die MS-Betroffene seit längerer Zeit eng begleiten, sind ein Stück weit «MS-Profis». Auch mit solchen Personen können Sie das Gespräch suchen, um sich über MS zu informieren und Ihre Unsicherheit im Umgang mit Direktbetroffenen abzubauen. Angehörige von MS-Patient:innen wissen, was die Erkrankung bedeutet und wie sie sich auf den Alltag auswirkt. Sie kennen die Herausforderungen und wie man sie am besten meistert. Sie werden ihre Erfahrungen vermutlich gerne mit Ihnen teilen.

Nicht zuletzt können Sie sich selbstverständlich auch an eine professionelle Beratungsstelle wenden. Hier finden Sie entsprechende Kontakte.

Betroffene annehmen, wie sie sind

Bereichernde und tragfähige Beziehungen entstehen immer dann, wenn sich zwei Menschen so annehmen, wie sie sind. Wenn sie dabei vor allem auf die Stärken und nicht auf allfällige Defizite ihres Gegenübers achten. Wir alle haben unsere Schwächen. Niemand ist perfekt und niemand ist für alles zu haben. So ist es auch bei Menschen mit MS. Doch es kommt noch etwas hinzu: Menschen, die mit MS zu leben gelernt haben, sind viel stärker als man denken oder von aussen sehen würde. Denn alles ist für sie etwas anstrengender als für Menschen ohne MS. Trotzdem bewältigen sie ihren Alltag, ihren Beruf, und alles, was dazugehört. MS-Betroffene sind «Kämpfer».

Dazu gehört auch, dass sie der MS in ihrem Leben meist nur so viel Raum geben, wie absolut nötig. Nicht die MS bestimmt, wer sie als Person sind. Das sollte man sich auch als Bezugsperson immer bewusst sein. Vielleicht kann man sich die MS vorstellen wie ein Störgeräusch beim Musikhören: Die MS kann im Leben oder in der Beziehung manchmal dazwischenfunken und den Empfang vorübergehend stören. Aber sie ist niemals die Musik! Die Musik ist das, was Freude macht. Und wenn die Musik einem gefällt, sind die Störgeräusche zwar ärgerlich, aber auch nicht so wichtig. Man freut sich schlicht an der Musik.

Das Abenteuer wagen

Der genaue Verlauf einer MS-Erkrankung ist weitgehend unvorhersehbar. Es ist nicht abzuschätzen, wann eine Ruhephase plötzlich von einem Schub unterbrochen wird. Auch in einer schubfreien Zeit gibt es gute und schlechte Tage. Und nicht zuletzt kann selbst an einem guten Tag plötzlich die Fatigue oder ein anderes MS-Symptom «zuschlagen» und die Pläne zunichtemachen.

MS-Betroffene lernen, mit dieser Unsicherheit umzugehen. Sie leben in der Regel viel stärker im Hier und Jetzt als Menschen ohne MS. Weil sie nicht wissen, was in Zukunft (noch) möglich sein wird, schieben sie die Verwirklichung ihrer Wünsche und Träume nicht hinaus. Sie möchten den Moment geniessen und schöne Dinge lieber früher als später realisieren. Dieser Grundhaltung sollte man sich als gesunde Bezugsperson bewusst sein und sich darauf einlassen. Schliesslich tut es uns allen gut, den Moment bewusster wahrzunehmen und zu geniessen. Freuen Sie sich an dem, was heute möglich ist, und verschwenden Sie keine Energie an Dinge, die vielleicht «sein könnten». Diese Achtsamkeit hilft generell im Leben, doch in der Beziehung mit einer MS-betroffenen Person ist sie besonders wertvoll. Man kann sich das Leben auch mit MS sehr schön machen.

Dazu gehört auch, Grenzen, welche die MS vielleicht setzt, immer wieder infrage zu stellen. Hier können Sie für Ihre Bezugsperson mit MS eine «Verbündete» oder ein «Verbündeter» sein. Helfen Sie mit, Grenzen auszuloten und vielleicht auch weiter zu stecken. Wer weiss, vielleicht ist mehr möglich, als man denkt. Menschen mit MS ist es wichtig, trotz Erkrankung ihre Unabhängigkeit so weit als möglich zu bewahren. Viele möchten nicht mit Samthandschuhen angefasst werden, denn dadurch fühlen sie sich erst recht schwach und krank. Anstatt ihnen also Dinge abzunehmen, ist es häufig besser, Betroffene einfach zu begleiten – wenn sie das möchten. Seien Sie offen, Neues auszuprobieren. Wagen Sie es, zusammen auch einmal ein «mutiges» Vorhaben anzustreben. Und legen Sie sich gemeinsam einen «Plan B» zurecht, für den Fall, dass es doch anders kommt.

Haben Sie Verständnis, wenn Pläne kurzfristig geändert werden müssen, weil Ihr Gegenüber nun doch nicht die Energie hat, Sie zum Vorhaben zu begleiten. Es ist der MS geschuldet und nicht Ausdruck von Geringschätzung Ihnen gegenüber. Das ist nicht immer leicht einzusehen, die Enttäuschung ist verständlich. Doch Sie können sicher sein, dass es auch Ihrer Bezugsperson nicht leichtfällt. Auch sie würde gerne mehr unternehmen. Sie mag es mit Sicherheit nicht, ihr Umfeld zu enttäuschen – und hat in solchen Situationen vermutlich schon oft Unverständnis und Ablehnung erlebt. Seien SIE anders. Seien Sie die Person, die Verständnis hat und mit MS-bedingten Planänderungen umzugehen weiss. So wird Ihnen die Beziehung zu einem «MS-Profi» gelingen. Wir wünschen Ihnen beiden eine spannende und bereichernde Zeit zusammen.

Kein Licht in Sicht – Multiple Sklerose und Depression

Multiple Sklerose (MS) ist als Krankheit schon seit fast 150 Jahren bekannt. Sie wurde im Jahr 1879 vom Franzosen Jean-Martin Charcot erstmals beschrieben. Seine Patientin, anhand derer er die typischen Symptome der MS präsentierte, litt zudem unter Depression. Diese Kombination von MS und Depression bei der „ersten“ MS-Patientin ist kein Zufall. Heute weiss man, dass etwa jede und jeder zweite MS-Betroffene im Laufe des Lebens eine Depression entwickelt Das bedeutet, dass MS-Betroffene ein viel höheres Risiko für eine depressive Erkrankung haben als gesunde Personen, aber auch als andere chronisch ErkrankteDa unter einer Depression die Gefahr für einen Suizid steigt, ist es wichtig, sie schnell zu erkennen und zu behandeln

Anzeichen für eine Depression

Aber wie erkennt man eine Depression? Die landläufige Meinung ist, dass sich Betroffene zurückziehen und traurig sind. Aber das ist nicht alles. Menschen mit Depression sind über längere Zeit – mindestens zwei Wochen – in gedrückter Stimmung und verlieren das Interesse an Dingen, die ihnen sonst Spass gemacht haben. Hinzu kommen möglicherweise Gefühllosigkeit, Schuldgefühle und Schlafstörungen. Die Betroffenen haben keinen Appetit, keinen Antrieb etwas zu unternehmen, und sind vielleicht sogar des Lebens überdrüssig.

Zusammenhang zwischen Depression und MS

Die Diagnose einer unheilbaren chronischen Krankheit krempelt das Leben von einem Moment auf den anderen um. Sie bedeutet Verunsicherung oder sogar Angst vor der Zukunft. Der damit verbundene Kontrollverlust ist für die meisten Menschen schwer zu verkraften. Mit einer schweren chronischen Erkrankung leben zu müssen, ist für alle Betroffenen eine grosse psychische Belastung. Allerdings haben MS-Betroffene ein noch höheres Risiko für Depressionen als andere chronisch erkrankte Personen Die Gründe dafür sind noch nicht klar, aber es gibt einige spannende Erklärungsansätze.

Bei der MS wird durch die Entzündungsreaktionen das zentrale Nervensystem nach und nach geschädigt. Da liegt der Gedanke nah, dass auch die Depression durch die von der MS hervorgerufenen Schäden im Gehirn entsteht. Tatsächlich leiden MS-Betroffene eher an Depression, wenn ihr Gehirn und nicht nur ihr Rückenmark von den MS-typischen Läsionen betroffen istEin weiteres Bindeglied zwischen MS und Depression ist die schnelle Erschöpfung (Fatigue), die als sehr häufiges Symptom bei beiden Krankheiten auftritt. Allerdings gibt es verschiedene Arten von Fatigue: Bei einer Depression sind die Betroffenen mental schnell erschöpft, während vor allem in der Anfangsphase einer MS eher die körperliche Erschöpfung belastend für die Betroffenen ist

Auch die MS-Therapie mit Interferon-Beta ist im Zusammenhang mit Depressionen wichtig. Sie wird vor allem bei der schubförmigen oder chronisch-progredienten MS häufig eingesetzt. Doch sie steht unter dem Verdacht, Depressionen zu begünstigen. Tatsächlich wurde in der ersten klinischen Studie davon berichtet, dass insgesamt fünf Studienteilnehmende, die Interferon-Beta bekamen, einen Suizidversuch unternahmen – teilweise leider mit fatalem Ausgang Obwohl der Zusammenhang zwischen Interferon-Beta-Therapie und schwereren Depressionen in der Zwischenzeit mehrmals durch gezielte Studien entkräftet wurde, wird die Therapie bis heute bei depressiven MS-Betroffenen nur unter besonderer Vorsicht eingesetzt.

Was tun?

Eine Depression ist eine schwere und potenziell lebensgefährliche Krankheit. Gehen Sie also nicht leichtfertig mit dem Risiko um – beobachten Sie sich und Ihren Gemütszustand genau und beugen Sie vor, so gut es geht. Das können Sie tun:

  • Schämen Sie sich nicht für Ihre Depression: Es ist eine Krankheit wie die MS auch. Sie können nichts dafür und eine psychische Erkrankung ist kein Zeichen von Schwäche!
  • Verkriechen Sie sich nicht, sondern sprechen Sie mit vertrauten Personen und mit Gleichgesinnten.
  • Bewegen Sie sich und machen Sie wenn möglich Sport – am besten draussen an der frischen Luft und bei Tageslicht. Es braucht aber keine Höchstleistung zu sein. Schon mässige körperliche Aktivität hilft. Vielleicht braucht der Hund der Nachbarin Auslauf und Sie können mit ihm spazieren gehen?
  • Versuchen Sie weiter Ihrem Beruf nachzugehen und am sozialen Leben teilzunehmen, soweit möglich.

Sprechen Sie in jedem Fall mit Ihrem Arzt oder ihrer Ärztin über Ihren Gemütszustand und Ihre Beschwerden. Er oder Sie kann Ihnen helfen, gegebenenfalls die passende spezialisierte Fachperson oder Behandlung zu finden. Eine gute Nachricht zum Schluss: MS-Betroffene erkranken häufig erst nach ihrer MS-Diagnose an einer Depression, viele sind nicht mit psychischen Vorerkrankungen belastet. Deshalb sind die Erfolgsaussichten einer anti-depressiven Therapie bei MS-Betroffenen besonders gut Wenn Sie also Anzeichen einer Depression bei sich feststellen, sprechen Sie darüber und lassen Sie sich helfen, denn Sie sind nicht allein!

So bleibt die Lust lebendig

Die „schönste Nebensache der Welt“! Mit diesem geflügelten Wort würden wohl die meisten Menschen gerne ihre Sexualität beschreiben. Glücklich, wer das tatsächlich von seinem Intimleben sagen kann. Leider sieht die Realität für viele Menschen anders aus – speziell für MS-Betroffene. Eine Expertin erklärt, was man tun kann, damit die Lust nicht einschläft.

Erfüllte Sexualität ist eine Quelle für Lebendigkeit und Energie. Doch leider sind sexuelle Probleme weit verbreitet. In der Durchschnittsbevölkerung haben bis zu 50% der Männer und 60% der Frauen sexuelle Funktionsstörungen. Die Ursachen sind vielfältig. Doch MS-Betroffene leiden drei- bis viermal häufiger unter solchen Problemen als der Durchschnitt. Mit sexuellen Schwierigkeiten ist es wie mit den meisten Problemen: Sie anzusprechen, ist der erste Schritt zur Besserung. Dummerweise fällt das beim Tabu-Thema Sexualität vielen Menschen schwer. Niemand spricht gerne über sein Intimleben – schon gar nicht, wenn es Probleme macht.

Wir möchten MS-Betroffene dabei unterstützen, dieses Tabu zu durchbrechen und Wege zur Überwindung von sexuellen Funktionsstörungen zu finden. Darum haben wir mit Patrizia Anex eine Expertin zum Gespräch getroffen, die sich bei MS und Sexualität bestens auskennt – und kein Blatt vor den Mund nimmt. Patrizia Anex ist Psychologin und Sexualtherapeutin mit eigener Praxis in Orbe (VD). Im Video-Interview gibt sie lebensnahe Tipps für MS-Betroffene. Sie plädiert beispielsweise dafür, das Thema Sexualität möglichst früh im Krankheitsverlauf anzusprechen – idealerweise bereits zum Zeitpunkt der Diagnose. Die Betroffenen sollten wissen, welche direkten und indirekten Auswirkungen die MS auf ihre Sexualität haben kann – und noch wichtiger: dass es zahlreiche Wege gibt, um allfällige Schwierigkeiten zu beheben. Denn einer erfüllten Sexualität steht auch mit MS nichts im Weg.

Ein Patentrezept, um MS-bedingte sexuelle Schwierigkeiten zu überwinden, existiert leider nicht. So vielfältig wie die MS als Erkrankung ist, so unterschiedlich können auch ihre Auswirkungen auf das Intimleben sein. Trotzdem gibt es wichtige Punkte, die man als Betroffene:r beachten kann, um die Situation zu verbessern. Die Tipps und Informationen von Patrizia Anex geben Ihnen hoffentlich den Mut, aktiv zu werden, damit Ihre Sexualität nicht einschläft, sondern wieder zum Leben erwacht.

Tabuthema - Blasen­funktions­störung

Ich muss mal … darüber sprechen!

Bei manchen kommen sie schleichend, bei anderen eher plötzlich: Probleme mit der Blasenfunktion. Viele MS-Betroffene schämen sich dafür. Doch die Betroffenen können nichts dafür, die Beschwerden haben ihren Ursprung in der Erkrankung. Darum möchten wir Mut machen, Blasenfunktionsstörungen anzusprechen und anzugehen – anstatt im Stillen zu leiden. Denn es lohnt sich, wie sich in unserem Video-Interview mit einem Experten zeigt.

Als Kleinkinder lernen wir, unsere Körperausscheidungen zu kontrollieren. Ab dann erachten wir es als selbstverständlich, dass diese Steuerung einwandfrei funktioniert – und wir sprechen nicht darüber. Denn es handelt sich um eine sehr intime Angelegenheit. Solange alles gut funktioniert, ist das auch kein Problem. Doch bei vielen Menschen mit MS ist es leider nicht so. Rund 10 Prozent von Ihnen haben bereits zum Zeitpunkt der Diagnose Probleme mit der Blasenfunktion. Zehn Jahre später gar durchschnittlich 60 bis 70 Prozent. Darum sagt PD Dr. Dr. med. Ulrich Mehnert, Leitender Arzt Neuro-Urologie an der Universitätsklinik Balgrist in Zürich: «Funktionsstörungen des unteren Harntraktes, bestehend aus Harnblase, Harnröhre und Schliessmuskel, treten im Verlauf einer Erkrankung mit Multipler Sklerose häufig auf. Dafür sollte man sich nicht schämen, sondern das Problem gezielt angehen.» Warum dies wichtig ist, um seine Beschwerden und damit die Lebensqualität zu verbessern, und wie ein solcher Arztbesuch abläuft, erklärt PD Dr. Mehnert in unserem Video-Interview zum Thema MS und Blasenfunktionsstörungen.

Als Neuro-Urologe ist er Spezialist für Schäden an den Nerven, welche die ableitenden Harnwege versorgen. Er empfiehlt eine neuro-urologische Abklärung, sobald sich folgende Symptome bemerkbar machen: nicht oder nur schlecht unterdrückbarer Harndrang, sehr häufiges Wasserlassen, Harninkontinenz oder wiederholte Blasenentzündungen. Aber auch ohne Symptome kann ein neuro-urologisches Erstgespräch zur vorsorglichen Beratung sinnvoll sein. Gerade weil Probleme mit der Blasenfunktion ein so grosses Tabu sind, lohnt es sich, frühzeitig den Kontakt zu einem Spezialisten aufzubauen. Wenn man sich schon kennt, fällt der Austausch leichter, falls sich tatsächlich Symptome einstellen sollten.

Geeignete neuro-urologische Spezialist:innen und Ansprechpartner finden MS-Patient:innen über Ihre Neurologin bzw. Ihren Neurologen oder unter https://www.doctorfmh.ch/. Dort im Feld Fachgebiet «Blasen-, Nieren- und Prostatakrankheiten (Urologie)» auswählen und im Feld (interdisziplinärer) Schwerpunkt/Fähigkeitsausweis «Neuro-Urologie». Dann auf «Suche starten» klicken und es werden in den Suchresultaten alle in der Schweiz tätigen und bei der schweizerischen Ärztevereinigung registrierten Neuro-Urolog:innen angezeigt.

Wir hoffen, dass wir Sie mit unserem Video-Interview ermutigen können, mit einer Fachperson über Ihre Blasenfunktion zu sprechen. Denn Neuro-Urologe PD Dr. Mehnert hält fest: «Wir können die Situation für die Patientin bzw. den Patienten verbessern!» Dafür lohnt es sich doch allemal, ein Tabu über Bord zu werfen. Finden Sie nicht?

Ausgewogene Ernährung bei MS

Was wir essen, hat grossen Einfluss auf unser Wohlbefinden. Das ist unumstritten, denn auch Probleme wie Übergewicht oder Störungen der Blasen- oder Darmfunktion lassen sich mit einer entsprechenden Ernährung gezielt beeinflussen. Mit grosser Vorsicht zu geniessen sind dagegen spezielle Ernährungsempfehlungen und Diäten für MS-Patienten. Vor allem dann, wenn sie das Verhindern weiteren Fortschreitens oder gar eine Heilung der Erkrankung versprechen.

Vielmehr lohnt es sich, einen Blick auf den eignen Speiseplan zu werfen. Denn einige Lebensmittel und vor allem einige Fettsäuren können die bei MS auftretenden Entzündungsreaktionen durchaus beeinflussen – positiv wie negativ. Zu den negativen Faktoren gehört z. B. die sogenannte Arachidonsäure, eine Fettsäure, aus der im Körper Entzündungsbotenstoffe gebildet werden können. Sie steckt vor allem in tierischen Fetten. Daher sollten sie Eier sowie Wurst und Milchprodukte mit hohem Fettgehalt eher selten verzehren. Gleiches gilt auch für industriell verarbeitete Lebensmittel. Bei Fleisch sollten Sie möglichst auf mageres Rind, Kalb oder Geflügel zurückgreifen – hier reichen aber zwei Portionen pro Woche. Als Ersatzquelle für Protein eigenen sich Sojaprodukte wie Tofu oder Fisch. Letzterer hat gerade in der fettreichen Variante als Lachs, Makrele oder Hering zudem einen hohen Anteil an Omega-3-Fettsäuren, wie etwa der Eicosapentaensäure (EPA), denen eine entzündungshemmende Wirkung zugeschrieben wird.

Energielieferanten im Sinne einer ausgewogenen Ernährung sind Getreideprodukte. Greifen Sie bei Brot, Teigwaren, Hirse oder Reis gerne zur Vollkornvariante. Denn gerade diese versorgen unseren Körper mit Ballaststoffen, die den Darm in Schwung bringen und lange satt halten. Auch Kartoffeln und Hülsenfrüchte wie Bohnen oder Erbsen sind eine gute Energiequelle. Überhaupt sollten pflanzliche Nahrungsmittel wie Obst und Gemüse die Hauptrolle auf unserem Speisplan spielen. Sie sind reich an Vitaminen und sekundären Pflanzenstoffen, die das Immunsystem stärken und eine entzündungshemmende Wirkung haben können. Zudem schützen sie vor freien Radikalen, die Zellen angreifen und schädigen können.

Bevor Sie Ihre Ernährung umstellen, sollten Sie mit Ihrem Arzt über Ihre individuelle Gesundheitssituation sprechen.

Grundsätzlich gilt aber: Gesunde Ernährung muss nicht kompliziert sein. Viele Gerichte mit frischen Zutaten sind leicht umsetzbar und schmecken allemal besser als Fast Food und Co. Weitere Informationen zum Thema finden Sie auf der Website von MyHandicap.

Sport mit MS

Gute Kondition, bessere Koordination, mehr Kraft, soziale Kontakte und seelische Ausgeglichenheit: Sport und Bewegung wirken vielfältig auf unser Wohlbefinden. Das gilt auch für MS-Patienten. Ob Ausdauer- und Krafttraining, Schwimmen oder Radfahren, Tanzen oder Yoga – ein Sportprogramm, das an den eigenen Krankheitsverlauf, die Beschwerden und die persönliche Vorerfahrung angepasst ist, hilft den körperlichen Beeinträchtigungen durch Multiple Sklerose entgegenzuwirken oder Begleiterkrankungen vorzubeugen. Allgemeingültige Empfehlungen für MS-Patienten gibt es dabei aber nicht. Was dem einen gut tut, ist für den anderen vielleicht unmöglich.

Hören Sie immer auf Ihren Körper und überfordern Sie sich nicht. Lernen Sie Ihre Grenzen langsam kennen.

Inhaltsverzeichnis

Wenn Sie bisher eher zur Fraktion Sportmuffel gehört haben, sollten Sie Ihren behandelnden Arzt oder vielleicht auch Ihren Physiotherapeuten um Rat fragen. Sie können Ihnen einen individuellen Trainingsplan zusammenstellen. Das gilt aber auch, wenn Sie schon immer sportlich unterwegs waren und sich unsicher sind, ob Sie Ihre Lieblingssportarten trotz MS weiter ausüben können – eventuell mit kleineren Anpassungen oder Hilfsmitteln. Denn ganz wichtig: Der Spass-Faktor spielt eine entscheidende Rolle. Finden Sie für sich heraus, was in Sachen Sport und Bewegung möglich ist und wobei Sie sich richtig gut fühlen.

Überanstrengung vermeiden

Wenn Sie sich beim Sport überanstrengen, kann Ihre Körpertemperatur stark ansteigen. Mögliche Folge dieses sogenannten „Uhthoff-Phänomens“ ist die vorübergehende Verschlechterung von bestehenden Symptomen wie Erschöpfung, Sehstörungen oder Spastiken. Sinkt die Körpertemperatur wieder auf Normalmass, gehen die Beschwerden zurück.

Mehr Informationen zu den vielfältigen Möglichkeiten rund um Sport mit Handicap finden Sie auf MyHandicap.

MS-Patienten mit einer körperlichen Beeinträchtigung müssen auf Sport nicht verzichten.

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Im Job mit MS

Das Berufsleben meistern

Die Diagnose MS trifft viele Menschen im Alter zwischen 20 und 45 – und damit mitten im Berufsleben. Dann stellen sich viele Fragen: Kann ich meinen Beruf weiter ausüben? Muss ich meinen Arbeitgeber informieren? Falls es mir schlechter gehen sollte, gibt es berufliche Alternativen?
Zunächst einmal sind Sie bei einem bestehenden Arbeitsverhältnis generell nicht dazu verpflichtet, Ihren Arbeitgeber oder die Kollegen über die Erkrankung zu informieren. Das gilt vor allem dann, wenn Sie durch die MS nicht in Ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt sind.

Andererseits kann es von Vorteil sein, von Anfang an mit offenen Karten zu spielen. Wenn Sie beispielsweise wegen eines Schubs oder einer Reha-Massnahme länger ausfallen, können sich die Kollegen besser darauf einstellen. Vielleicht hilft es Ihnen aber auch, sich erst einmal einem oder zwei besonders guten Kollegen anzuvertrauen und dann sukzessive die anderen zu informieren.

Sag ich’s oder sag ich’s nicht? Vertrauen Sie auf Ihre Intuition.

Eine Mitteilungspflicht besteht hingegen, wenn Ihre Arbeit mit einem Sicherheitsrisiko verbunden ist oder sich die Erkrankung auf Ihren Job auswirkt. Gerade im letzten Fall gibt es durchaus Möglichkeiten, Ihren Arbeitsplatz so zu verändern, dass Sie Ihrer Tätigkeit trotz Multipler Sklerose weiterhin nachgehen können. Das können sowohl ergonomische Anpassungen als auch veränderte Arbeitszeiten wie eine Teilzeitlösung oder vielleicht eine neue Position im Unternehmen sein. Um solche Massnahmen in die Wege leiten zu können, müssen natürlich alle Beteiligten Bescheid wissen.

Vorurteilen vorbeugen

Wenn Sie mit Ihrem Arbeitgeber und den Kollegen sprechen, sollten Sie sie möglichst umfassend über das Krankheitsbild der Multiplen Sklerose informieren. So können Sie von Anfang an mit Vorurteilen aufräumen und deutlich machen, dass Sie je nach Krankheitsverlauf noch lange leistungsfähig bleiben. Ausserdem werden die unsichtbaren Symptome bei MS für Ihre Kollegen besser verständlich.

Informationen dazu, wie Sie mit MS am Berufsleben teilnehmen können, finden Sie auf MyHandicap.

Welche konkreten Möglichkeiten gibt es, um möglichst lange im Berufsleben zu bleiben?

Meine Rechte bei MS

Multiple Sklerose kann zu leichten Einschränkungen bis hin zu schweren körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen führen, die häufig Folgen für das alltägliche Leben haben. Vielleicht müssen Sie sich im Beruf zurücknehmen, was wiederum finanzielle Einbussen mit sich bringt. Dagegen stehen aber mögliche Mehrausgaben für die medizinische Versorgung. Oder ein Umbau des Hauses wird nötig, damit Sie sich selbständiger bewegen können. Vielleicht wird zu gegebener Zeit auch eine Reha oder Pflege notwendig. Wichtig ist, im Fall der Fälle seine Rechte und die entsprechenden Anlaufstellen für Fragen zu kennen.

Eine wichtige Kontaktstelle für MS-Patienten, die ihren Beruf nicht ausüben können, ist die Invalidenversicherung (IV). Sie fördert einerseits berufliche Eingliederungsmassnahmen, andererseits entrichtet sie aber auch eine Rente. Darüber hinaus kommt sie für die Versorgung mit Hilfsmitteln und teilweise für bauliche Anpassungen des Wohnumfelds auf. Auch Kosten für eine Pflege werden übernommen.

Um finanzielle Nachteile auszugleichen, stehen Ihnen als MS-Patient aber auch zahlreiche Vergünstigungen und zum Teil Gebührenbefreiungen zu.

Fragen Sie bei der Krankenkasse, den öffentlichen Verkehrsmitteln, der Billag, bei Telefonanbietern und bei Freizeitangeboten nach Vergünstigungen.

Expertenrat einholen

Bei Fragen zu Ihrer finanziellen Situation lohnt es sich, Kontakt mit einer Fachstelle aufzunehmen. Gemeinsam mit den Experten können Sie klären, ob Sie alle Leistungen beziehen, auf die Sie als MS-Patient Anspruch haben und gegebenenfalls weitere Unterstützung beantragen.

Weitere Informationen zum Thema finden Sie auf der Website von MyHandicap.

Zusammenfassung

Ob privat oder im Beruf – nutzen Sie die Unterstützungsmöglichkeiten, um den Alltag mit MS besser zu bewältigen.