Ist die Hämophilie A bei jeder Person gleich?

Nein, die Hämophilie A zeigt sich nicht bei jeder Person gleich ausgeprägt. Je nach Restaktivität des Gerinnungsfaktors VIII wird die Hämophilie A in eine milde, moderate oder schwere Form eingestuft. Doch diese Einteilung umfasst nicht alle Aspekte der Erkrankung und entspricht teilweise nicht den Erfahrungen aus dem Alltag. Die Neigung zu spontanen Blutungen kann bei einigen Betroffenen stärker ausgeprägt sein, als man das gemäss der Restaktivität des Gerinnungsfaktors VIII erwarten würde. Die betroffene Person zeigt einen schwereren Blutungsphänotyp und dies hat einen direkten Einfluss auf die gewählte Behandlung.

Wie wird der Schweregrad der Hämophilie eingeteilt?

Die Hämophilie ist eine vererbbare Erkrankung des Gerinnungssystems und wird auch Bluterkrankheit genannt. Bei der Hämophilie A ist der Gerinnungsfaktor VIII weniger aktiv oder fehlt vollständig. Bei den Betroffenen gerinnt das Blut langsamer und einige neigen zu spontanen Blutungen. Je nach Schweregrad wird die Hämophilie A in eine milde, moderate oder schwere Form eingeteilt.

Die Einteilung erfolgt anhand der Restaktivität des Gerinnungsfaktors VIII. Bei einer gesunden Person beträgt die Faktoraktivität idealerweise 100%. Betroffene mit Hämophilie A haben eine verminderte Faktoraktivität je nach Schweregrad:

  • Milde Hämophilie A: mit 5 – < 40% Faktoraktivität
  • Moderate / Mittelschwere Hämophilie A: mit 1 – 5% Faktoraktivität
  • Schwere Hämophilie A: mit < 1% Faktoraktivität

Welche Beschwerden haben Betroffene mit Hämophilie im Alltag?

Grundsätzlich können die Beschwerden bei der Hämophilie A nach Schweregrad eingeteilt werden:

Die milde Hämophilie A fällt durch verstärkte Blutungen nach Operationen, nach kleinen Verletzungen oder beim Zahnarzt auf. Oft macht sie sich auch durch blaue Flecken bemerkbar. Es kann zu Spontanblutungen in die Gelenke und Muskeln kommen, dies ist aber sehr selten.

Bei der moderaten Hämophilie A sind die Beschwerden offensichtlicher. Die ungewöhnlich starken Blutungen nach Unfällen, Verletzungen oder einem chirurgischen Eingriff halten länger an. Gelenk- und Muskeleinblutungen sind zwar weniger häufig als bei der schweren Hämophilie A, können aber bereits ähnliche Spätfolgen wie Gelenkschäden und eine verminderte Lebensqualität mit sich bringen.

Unbehandelt führt die schwere Hämophilie A zu häufigen Spontanblutungen in Gelenke, Muskeln und in lebenswichtigen Organen.

Stimmt der Schweregrad der Hämophilie mit den tatsächlichen Beschwerden überein?

Wie bereits erklärt, wird der Schweregrad der Hämophilie A anhand der Restaktivität des Gerinnungsfaktors VIII definiert. Diese Einteilung spiegelt nicht immer die tatsächliche Blutungsneigung im Alltag wider. Menschen mit milder oder moderater Hämophilie A können bereits ähnliche Symptome und Krankheitsverläufe zeigen wie Menschen mit schwerer Ausprägung. Dies wird in Fachkreisen als Phänotyp der Hämophilie bezeichnet.

Was ist der Phänotyp einer Hämophilie A?

Der Ursprung vererbbarer Krankheiten, wie beispielsweise der Hämophilie A, sind die Gene. Diese geben jedoch nicht allein vor, wie stark sich das Krankheitsbild bei einem Menschen tatsächlich zeigt. Zusätzlich können weitere unterschiedliche Faktoren eine Rolle spielen, wie beispielsweise Umwelteinflüsse, das Vorhandensein von bereits durch die Hämophilie geschädigter Gelenke oder die individuell unterschiedliche Restaktivität des Faktors VIII. So kann die tatsächliche Blutungsneigung im Alltag bei Personen mit moderater Hämophilie A unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Während ein Betroffener kaum zu spontanen Blutungen neigt, können diese bei einer anderen Person häufiger auftreten.

Welche Konsequenzen hat der Phänotyp der Hämophilie A für die Therapie?

Bei der Behandlung der Hämophilie A gilt der Grundsatz: Jede Blutung zählt und sollte verhindert werden. Spontanblutungen unter der Haut, in Gelenke, Muskeln oder Organe können Schäden verursachen. Eine      blutungsvorbeugende Therapie, die sogenannte Prophylaxe, war für lange Zeit jedoch nur für Betroffene mit schwerer Hämophilie A vorgesehen.

Die heutigen modernen Behandlungsstrategien beziehen neben dem Schweregrad der Hämophilie A auch den Phänotyp in die Therapieentscheidung mit ein. Ist die Blutungsneigung bei einem Patienten mit Hämophilie A hoch, so kommt eine Prophylaxe zum Einsatz. Dieses Grundprinzip gilt auch für Betroffene mit milder oder moderater Hämophilie A. Bei dieser prophylaktischen Behandlungsart wird der fehlende Gerinnungsfaktor oder ein Medikament, das die Funktion des Gerinnungsfaktors übernimmt (bispezifischer Antikörper), in regelmässigen Abständen in die Venen oder unter die Haut gespritzt. Spontanblutungen und die daraus resultierenden Folgeschäden werden so erfolgreich verhindert.

Wie beeinflusst die Hämophilie A die Lebensqualität?

Dank der ständig verbesserten Therapiemöglichkeiten sind Betroffene mit Hämophilie A kaum mehr eingeschränkt. Betroffene mit einem schweren Blutungsphänotyp erhalten eine Prophylaxe und falls doch eine Spontanblutung auftritt, wird diese rasch und gezielt behandelt. Die Hämophilie A gehört aber immer in die Hände von erfahrenen Fachspezialistinnen und Fachspezialisten, die für jeden Betroffenen die entsprechend passende Therapie auswählen. Lassen Sie sich in einem spezialisierten Hämophilie-Zentrum beraten.