Therapieoptionen bei MS – Krankheitsverläufe individuell behandeln

Für die Behandlung von MS stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Während man früher nur die Symptome behandeln konnte, gibt es heute Medikamente, die in den Krankheitsverlauf eingreifen können.Was die Therapieformen beinhalten und wie sie den Patienten ein möglichst normales Leben bieten, führt die Neurologin Dr. Andrea Tasalan-Skupin aus.

1. Welche Therapieformen unterscheidet man bei der Behandlung von MS? Können Sie diese kurz beschreiben?

An erster Stelle steht die medikamentöse Behandlung. Hier unterscheiden wir die Akuttherapie, also die Behandlung von Schüben sowie die Behandlung mit Medikamenten, die den Krankheitsverlauf langfristig beeinflussen. Diese Präparate beziehungsweise Wirkstoffklassen werden nach individueller Krankheitsaktivität und bisherigem Verlauf ausgewählt. Dazu kommen nicht-medikamentöse Massnahmen: regelmässige Bewegung, sportliche Aktivitäten und je nach motorischer Einschränkung Physio- oder Ergotherapie. Zudem ist häufig auch eine psychotherapeutische Begleitung wichtig, weil Stimmungsschwankungen oder Depressivität auftreten und/oder sich neuro-kognitive Defizite entwickeln, die man vorher genau abklärt und auf deren Basis man ein spezielles Gedächtnistraining durchführen kann. Ernährungsspezifische Massnahmen werden immer wieder diskutiert, aber da hat man den Stein der Weisen noch nicht gefunden.

2. Für welche MS-Patienten eignen sich verlaufsmodifizierende Therapien? Gibt es dabei Besonderheiten?

Die eignen sich grundsätzlich für alle Patienten, denn vom Krankheitsverlauf ist die Therapie und die Therapieform abhängig. Wir sind mittlerweile in der glücklichen Lage, dass wir je nach Verlauf Medikamente geben können: einerseits kann man die Therapie auf die Intensität der Krankheit oder die Aktivität bei den schubförmigen Formen einstellen, andererseits kann man zwischen den einzelnen Medikamenten hinsichtlich des Wirk- und auch des Nebenwirkungsprofils switchen.

3. In einigen Fällen beschränkt sich die Therapie auf die reine Symptombehandlung – warum ist das so und was raten Sie Betroffenen?

In sehr, sehr seltenen Fällen gibt es aktuell Patienten, die aufgrund anderer Erkrankungen, die gewisse Therapien unmöglich machen, nicht auf die gängigen Therapien zurückgreifen können und deshalb nur eine reine Symptombehandlung bekommen können. Die reine Symptombehandlung ist in der Regel das Steroid oder das erwähnte Krebsmedikament. Wichtig bezüglich der Schubauslöser, der sogenannten Trigger, muss man diesen Patienten raten, einen geordneten Lebensstil zu führen, auf eine gute Tag-Nacht-Balance zu achten, Suchtmittel – auch die legalen – nicht im Übermass zu konsumieren, Stress und psychische Auslöser zu vermeiden.

4. Wann ist eine Anpassung der MS-Therapie erforderlich?

Die Anpassung einer MS-Therapie ist immer dann erforderlich, wenn entweder der Wirkstoff keine ausreichende Wirkung mehr zeigt, das heisst, dass sich in irgendeiner Form Krankheitsaktivität zeigt. Oder wenn, in seltenen Fällen, auf die modernen Medikamente im Verlauf eine eigene Antikörperreaktion stattfindet. Dabei wird das Medikament vom Körper quasi abgewehrt und verliert damit seine Wirkung. Und es ist auch dann eine Anpassung notwendig, wenn unerwünschte Nebenwirkungen so beeinträchtigen, dass der Patient mehrfach zurückmeldet: Ich kann nicht mit diesem Medikament leben.

5. Wann empfehlen Sie einem Patienten, die Initiative zu ergreifen und einen Arzt aufzusuchen?

Besteht bereits eine MS-Diagnose und ist eine Therapie bereits eingeleitet, kann dieser Patient natürlich Veränderungen seiner Krankheit, Veränderungen des Wirk- wie des Nebenwirkungsprofils bei den regelmässigen Kontrollterminen ansprechen. Sollte sich aber in der Zwischenzeit eine Veränderung zeigen, sollten Patienten immer ihren Arzt aufsuchen. Und das sogar lieber einmal mehr.