Nach dem MS-Schub: Wie geht es mir heute?

Wow, mein letzter MS-Schub war vielleicht eine heftige Nummer. Nun sind zehn Monate vergangen und es ist viel passiert. Ich bin von meinem tiefsten Tief auferstanden. Es hat lange gebraucht und wird noch viel länger dauern, bis ich mich davon komplett erholt haben werde. Viele Tränen sind geflossen und noch viel mehr Zweifel sind geblieben. Ich bin, so glaube ich, haarscharf an einer Depression vorbei geschlittert. Oder befand ich mich mitten drin?

Wenn ich darüber nachdenke, bin ich in dieser Zeit wieder stärker geworden. Ich habe seither immer noch Taubheitsgefühle in beiden Händen und im rechten Oberschenkel. Ich habe eine zweite Kortisontherapie über mich ergehen lassen. Einfach, damit ich mir sagen kann: Ich habe alles versucht!! Doch leider konnte sie meine Symptome auch nicht wegzaubern. Anfangs hat mich dieser Zustand mit meinen Händen verrückt gemacht. Es ist unglaublich, denn man sieht mir nichts an, aber ich fühle mich nicht mehr als funktionierendes Ganzes. Ein Beispiel gefällig? Ich krame in meiner Tasche und suche nach dem Schlüssel. Ich kann ihn aber nicht finden, weil sich alles gleich anfühlt. Ich bin nun stark auf meine Augen angewiesen, welche mir zum Glück mein Leben vereinfachen. Meine Hände fühlen sich an, als ob immer noch eine dicke Schicht Sekundenkleber darüber kleben würde. Mein Gehirn hat sich aber mittlerweile an diesen Zustand gewöhnt. Und so ist auch Ruhe in mir eingekehrt. Ich lerne immer noch jeden Tag dazu, mit diesem kleinen, aber unglaublich nervigen Handicap zu leben.

Ich finde es so schade, dass ich früher nie auf die Idee gekommen bin, meinen Händen für den täglichen Einsatz zu danken. Erst jetzt, wo ich sie nicht mehr so intensiv spüre, wird mir bewusst, wie wichtig sie eigentlich sind: morgens beim Zähneputzen, beim Duschen, beim Frisieren meiner Haare. Ausserdem helfen sie mir, die Münzen aus dem Portemonnaie zu zücken, wenn ich morgens ein Croissant beim Bäcker hole. Und sind Teil bei meiner täglichen Arbeit.

Ich habe mich mittlerweile in meiner Situation zurechtgefunden. Aber es ist doch immer das Gleiche: Man vermisst etwas erst, wenn man es nicht mehr hat. Ich bin irgendwie dankbar für diese Erfahrung, denn so sehe ich das Leben mit anderen Augen. Bin ich nun anders oder etwas Besonderes? Wer weiss das schon. Genauso kann mir auch niemand sagen, ob das Gefühl in meinen Händen wiederkommen wird oder nicht.

Das Herz muss Hände haben, die Hände ein Herz.

TIBETISCHES SPRICHWORT