Mit MS auf den geheimnisvollen Machu Picchu

Von Ecuador führte unsere Reise weiter mit dem Bus nach Peru, wo unser erster Halt Lima war. Anschliessend fuhren wir in die Wüste von Huacachina, dann nach Arequipa und Cusco. Ich war aufgeregt, denn bald würde ich endlich die geheimnisvolle Ruinenstadt Machu Picchu sehen!

Abenteuerreise durch Peru

Die Aussicht auf den Machu Picchu muss sich aber verdient werden und so entschieden wir uns, die Ruinen auf dem Weg zu besuchen, den schon die alten Inkas bewanderten: den sogenannten „Salkantay-Trek“. Insgesamt fünf Tage wandern wir in luftige Höhen und überqueren den Salkantay-Pass bis hinunter in den tropischen Regenwald. Ich war nervös, denn ich bin zuvor noch nie so lange gewandert und ich hatte immerhin zwei Schübe in den Knochen!

Geschafft: Sechs Stunden Aufstieg mit MS

Wir besorgten uns Regenponchos, liehen für mich Walking-Stöcke aus und machten die restlichen Besorgungen für unser Abenteuer. Endlich ging es los und wir lernten die anderen Teilnehmer kennen. Alle waren cool drauf und freuten sich. Am ersten Tag wanderten wir ungefähr sechs Stunden bis zum ersten Base Camp und wagten am Nachmittag den sehr steilen Aufstieg zu einem wunderschönen tiefblauen Bergsee, dem Humantay Lake.

Mir dämmerte es: Oh je, morgen würde uns der anstrengendste Tag erwarten, da wir dann den Aufstieg zum Salkantay-Pass machen müssen. Nach dem Abendessen gingen alle müde um 20.00 Uhr schlafen. Der nächste Tag sollte nämlich bereits um 4.30 Uhr beginnen!

Nachdem wir uns mit einem heissen Coca Tee und einem Frühstück gestärkt hatten, ging es los. Wir wanderten durch ein wunderschönes, nebelverhangenes Tal. Das Gehen wurde immer beschwerlicher, denn die Wege wurden immer schmaler und steiler. Je mehr wir uns dem Pass näherten, desto dünner wurde die Luft zum Atmen. Es fing an, leicht zu schneien. In meinem Kopf machten sich Fragen breit wie: „Warum tust Du Dir das eigentlich an? Du könntest jetzt irgendwo gemütlich in einem warmen Café sitzen?“ Ich versuchte mich auf meine Füsse zu konzentrieren, setzte einen Schritt vor den anderen und ging mein Tempo. Und in dem Moment, als ich echt schon aufgeben wollte, sah ich endlich das Ziel. Unser Guide gratulierte uns mit einem Handschlag. Mann, war ich glücklich, endlich hier oben zu stehen!

Regen, Schnee und dann auch noch die Höhe

Wir machten schnell einige Gruppenfotos, denn der Schneefall wurde stärker und die Sicht verschlechterte sich. Es war an der Zeit den Abstieg in Angriff zu nehmen. Dieser dauerte relativ lange und war mühsam. Der Schneefall verwandelte sich in starke Regenschauer je weiter wir abstiegen. Einige Teilnehmer kämpften mit dem Höhenunterschied und klagten über starke Kopfschmerzen oder Schwindelanfälle. Endlich kamen wir in einer Hütte an, wo es Lunch gab. Eine warme Suppe war da genau richtig. Es regnete immer noch in Strömen und wir waren alle durchnässt, doch wir mussten wieder weiter. Nach insgesamt zehn Stunden und tropfnass von der Fusssohle bis zum Haarscheitel kamen alle unversehrt am zweiten Tag im Camp an. Das bestand wie schon das erste aus einfachen Zelten.

MS-Symptome oder einfach überlastet?

Am dritten Tag sollte es weniger anstrengend werden und ich freute mich sehr darüber, denn wir würden uns am späteren Abend in einer heissen Quelle ein wenig von den Strapazen erholen können. Wir liefen also los und als der Weg abwärts führte, spürte ich auf einmal einen stechenden Schmerz, welcher von meinem Oberschenkel bis zum Knie runterzog. Ich wusste fast nicht wie ich laufen sollte. Remo und Esther, eine sehr liebe Dame, die ebenfalls aus der Schweiz kam und mit uns in der Gruppe war, tasteten meinen Oberschenkel vorsichtig ab und bemerkten, dass dieser total hart und steif war. Ich hatte eine klassische Muskelverhärtung. Ich schmiss mir eine Schmerztablette ein und bekam eine wärmende Creme und eine kleine Sportmassage von Remo. Zum Glück hatte ich die Wanderstöcke dabei, die mir in diesem Moment eine grosse Hilfe waren. Ich kämpfte mich also irgendwie den Berg hinunter. Am Abend badeten wir alle zufrieden in der heissen Quelle und tatsächlich, meine Muskeln entspannten sich allmählich und es war eine wahre Wohltat!

„Sei mutig. Gehe Risiken ein. Nichts kann Erfahrung ersetzen.“

PAULO COELHO

Tags darauf gingen die meisten Teilnehmer zum Ziplinen, welches optional dazu gebucht werden konnte. Ich und Remo entschieden uns aber weiterzulaufen und verzichteten auf die „Abkürzung“. Die Landschaft ist einfach zu schön! Wir wanderten an diesem Tag nochmals sechs Stunden und waren mächtig stolz, den gesamten Trek ohne Abkürzung gemacht zu haben.

Am fünften Tag war dann endlich der grosse Tag gekommen: Wir durften von Aguas Calientes aus zum Machu Picchu. Die Aussicht über den Berg und die gut erhaltenen Ruinen der einstigen Inkastadt sind einfach atemberaubend. Wir waren so stolz und glücklich und genossen diesen ganz speziellen Moment sehr. Diese Wanderung war eine echte Herausforderung für mich und eine ganz neue Erfahrung. Trotz MS habe ich wieder einmal mehr geschafft, als ich mir zuerst zugetraut hatte.