Galapagosinseln und ein weiterer MS-Schub

Einen Tag bevor wir auf die Galapagosinseln wollten, bekam Remo eine schlimme Lebensmittelvergiftung. Der Arme musste sich dauernd übergeben und es ging ihm richtig schlecht. Aber woher bloss?

Magen-Darm-Grippe oder MS-Schub?

Gestern Abend hatten wir uns eine vegetarische Pizza geteilt und mir ging es gut. Zum Glück fühlte er sich aber am nächsten Tag, unserem Abreisetag, etwas besser und wir machten uns auf den Weg zum Flughafen. Als wir endlich auf der ersten Insel in Santa Cruz landeten, waren wir von der Natur überwältigt und bezaubert. Es war noch schöner, als wir es uns vorgestellt hatten und bald entdeckten wir die ersten Tiere.

Auf dem Weg zur ersten Unterkunft wurde mir auf einmal von Minute zu Minute schlechter. Mein Magen fühlte sich gar nicht gut an. Na grossartig, jetzt bin ich doch noch an der Reihe oder was? Als wir endlich bei der Unterkunft waren, konnte ich leider gar nichts machen, ausser auf der Toilette zu bleiben. Ich fühlte mich schwach und mir war so schlecht wie schon lange nicht mehr. Leider verging das Ganze nicht so schnell wie bei Remo und ich musste 3 Tage lang leiden. Ich hatte hohes Fieber und mein Magen wollte partout nichts in sich behalten. Ich spürte auch, dass meine MS dadurch aktiver wurde während dieser Zeit. Meine Hand kribbelte ganz schön stark und ich hatte kaum noch Kraft im linken Arm und im Bein. Das darf doch alles nicht wahr sein! Bitte nicht noch einen Schub!

Das Laufen fiel mir schwer

Die nächsten Tage gestalteten sich sehr schwierig für mich. Ich hatte sehr wenig Kraft und das Laufen fiel mir wieder sehr schwer. Ich wusste echt nicht wohin mit mir und so verfiel ich wieder dem Selbstmitleid. Ich brauche einen Arzt, aber wir sind jetzt für zehn Tage auf den Galapagosinseln. Hier gibt es keinen Arzt für mich. Ich war echt am Ende. Zwingt mich die MS wirklich frühzeitig nach Hause? Ich erzählte Remo von meinem Leid und meiner Verzweiflung. Er machte sich grosse Sorgen und wir entschieden uns, die Galapagos trotzdem so gut wie möglich zu geniessen. Da wir an kein Programm gebunden waren, konnten wir uns den Tag so planen, wie wir wollten. Und so gut es für mich eben ging.

Ich war in dieser Zeit sehr müde und brauchte viel Schlaf. Dennoch ist man nicht alle Tage auf diesen wundersamen Inseln und ich wollte die Natur und die Tiere, die hier wohnen, entdecken und mir das sicher nicht vermiesen lassen. Wir machten also Spaziergänge mit vielen Pausen und sahen so viele Tiere. Das tat mir so gut, weil ich jedes Mal für einen kleinen Augenblick sorgenfrei war und ich die MS für einen kurzen Moment vergessen konnte.

Damit Ihr Euch ein Bild von unseren Galapagoserlebnissen machen könnt, habe ich Euch ein kleines Video zugeschnitten.

Ich sass im Sand und blickte aufs Meer und machte mir Gedanken, wie viele Menschen auf der Welt wohl auch gerade einen Schub erleiden? Wie viele Leute wohl dieselben Schmerzen durchmachen müssen wie ich? Und im nächsten Augenblick sagte ich mir: „Aber Du hast wieder mal Glück, Lucile, denn nicht jeder kann in solch einer schweren Phase am Strand sitzen und diese Aussicht geniessen. Es ist schwer, aber Du musst Dich jetzt zusammenreissen. Am Ende war immer alles gut. Wieso sollte das diesmal anders sein?“

Nicht den Mut verlieren

Na endlich, da war er wieder mein Mut und meine Willenskraft. So verbrachten wir trotzdem zehn wunderschöne Tage auf den Inseln und all die Tiere und die Landschaften sind einfach unbeschreiblich gewesen. Wir entschieden uns auf der letzten Insel, dass wir uns einer Tour anschliessen, bei der wir mit Meeresschildkröten schwimmen können. Das war für mich das erste Mal und ich werde mich für immer daran erinnern, da es sehr speziell für mich war.

Ich konnte in diesem Moment durch den Kraftverlust nämlich nicht so gut schwimmen und bekam als Hilfe einen Rettungsring. Ich kam mir zuerst sehr blöd vor, doch als ich die erste Schildkröte in diesem weiten Meer entdeckte und ich beobachten konnte, wie frei und majestätisch sich diese Tiere bewegten, da war ich einfach nur noch unglaublich glücklich. Es war einfach wunderschön. Diese Tiere strahlen eine Ruhe und eine Gelassenheit aus – das war genau das, was ich in diesem Moment brauchte.

Zeit für eine Kortison-Therapie

Zurück in Quito hatte ich mich entschieden, endlich eine Kortisontherapie zu machen. In Mexiko war ich einfach noch nicht so weit und wollte einfach mit viel Zeit und Ruhe das Ganze abklingen lassen. Beim zweiten Schub war ich nicht mehr so geduldig und ich wollte die ganzen Berge, die wir auf der Route noch hatten, beschwerdefrei und voller Energie erklimmen. Ich schrieb also wieder mal meiner Neurologin und erzählte ihr von meinem Zustand. Ich kontaktierte ebenfalls meine Krankenkasse, welche mir blitzartig ein Hospital in Quito empfahl.

Ehrlich gesagt hatte ich Angst vor dem Krankenhaus in Quito. Ich spreche so gut wie kein Spanisch und die Krankheit kennt man hier doch auch nicht! Remo war mir auch in dieser Situation eine riesige Hilfe und übernahm das Sprechen und erklärte der Dame von meinem gesundheitlichen Zustand. Nach einer kurzen Untersuchung kam sie mit einem Zettel zurück. Ich hatte um 15.00 Uhr einen Termin bei einem Neurologen.
Na toll, wieder warten und irgendwie machte sich der Gedanke breit, dass das Ganze nichts bringen würde.

In guten Händen

Remo beruhigte mich und meinte: „Jetzt haben wir schon den ganzen Weg auf uns genommen, warten wir doch auch noch ab und sehen was die Neurologin meint?“ Ich gab ihm recht und wir warteten, bis wir endlich an der Reihe waren. Endlich wurde mein Name aufgerufen und wir folgten der kleinen Ecuadorianerin ins Sprechzimmer. Español? Frances? Ingles? Ich war begeistert und sprudelte gleich auf Französisch los. Die Doctora Gommez war super lieb und wir konnten uns prima unterhalten. Ich konnte ihr alles, was ich auf dem Herzen hatte, erzählen.

Sie untersuchte mich und fragte mit einem ernsten Blick, warum ich so lange gewartet hatte? Ich erzählte ihr von unserer Reiseroute und davon, dass ich es auf eine andere Weise versuchen wollte. Sie hatte viel Verständnis für mich und sagte dann optimistisch: „Jetzt beginnen wir mit der Kortisontherapie und danach werden Sie sorgenfrei weiterreisen können. Versprechen Sie mir aber, dass Sie zurück in der Schweiz Ihre Neurologin konsultieren werden.“ War ich erleichtert und glücklich! Ich versprach ihr das und wusste, dass mir das Kortison helfen würde.

Das Kortison schlug sofort an

Ich erhielt also während drei Tagen Kortison und das tat meinem Körper richtig gut. Ich spürte eine wirkliche Genesung und freute mich auf den letzten Weg unserer Reise. Zuhause werde ich mich natürlich gleich mit meiner Neurologin treffen und eine eventuelle Therapieänderung vornehmen.
Mir ist bewusst, dass nicht alle MS-Patienten so viel Glück haben wie ich und deren Körper sich vielleicht nicht so schnell regenerieren wie meiner. Deshalb muss das jeder Patient selber für sich abwägen und entscheiden. Aus meiner Sicht finde ich es einfach so wichtig, auf seinen Körper zu hören, denn mir sagt er genau, wann er was braucht.

„The love for all living creatures is the most noble attribute of man.“

CHARLES DARWIN

Wie schwer auch so ein Schub sein mag, versuche stark zu sein und höre niemals auf, an die Kontrolle über Deinen Körper zu glauben. Du kannst nämlich viel mehr als Dir die Multiple Sklerose zutraut!

Jetzt zählt für mich doch nur eins: noch mehr über Südamerika mit den wunderbaren Naturschätzen zu erkunden.

Liebe Grüsse