Blasenschrittmacher – (k)ein Problem?

Ach, es nimmt ja kein Ende. Das hätte ich eigentlich wissen sollen – können – müssen! Aber jetzt stecke ich schon drin und die MS werde ich auch nicht mehr los. So habe ich eigentlich gerade mehrere „Baustellen“ oder wie ich sie nenne Projekte. Das im Moment vordergründige ist im Anschluss an meine beiden Harnblasen-Operationen entstanden.

Mein Alltag nach der Harnblasen-OP: Ich bin auf Hilfe angewiesen

Der Alltag ist noch beschwerlich. Ich habe die zu erwartenden postoperativen (nach einer Operation) Beschwerden: Schmerzen, ich bin fürchterlich unbeweglich und müde. Meine MS klingt mit – das rechte Bein will nicht so ganz mitlaufen und ich hinke ein wenig. Mir ist kalt und ich fühle mich nicht fit. Ich habe Mühe, mich zu konzentrieren und mehr als den Alltag zu bewältigen, geht noch nicht.

Ich weiss, ich muss Geduld haben, das ist aber mein am wenigsten ausgeprägtes Talent. Blöd und sehr ungünstig. Also jammere ich herum und nerve meine Freunde – die glücklicherweise ausdrücklich gesagt haben, dazu seien sie da! Was wäre ich nur ohne sie?!

Netzwerk – so viele liebe Bekannte habe ich bei mir im Quartier, die mir gerne die Kinder abnehmen. Einige haben erfahren, dass ich eine OP hatte bzw. ich habe gesagt, dass ich eine Operation am Rücken hatte (was ja nicht so falsch ist). Nicht alle müssen wissen, dass ich MS habe, ich bin mit der Information vorsichtig.

Ungeduld und wieder fit werden, das passt nicht zusammen

Manchmal bin ich zu schnell für meine MS und mein Alltag hat einfach keinen Platz für die MS. Das ist ganz praktisch und angenehm – ausser sie rächt sich! So bin ich mal wieder bei der Wut angelangt – wütend auf alle und jeden! Aber vielleicht doch am ehesten auf mich selber? Wieder war ich naiv genug zu glauben, dass alles einfach gut wird. Alles sich zügig einrenkt und ich zum Alltag zurückkehren kann.

Nix da – ich habe MS. Da fällt es manchmal nicht leicht, so mir nichts dir nichts, den gewohnten Alltag wieder aufzunehmen. „Du musst Rücksicht auf mich nehmen“, schreit die MS in mir drin und die Harnblase tritt in den Streik. Super Sache, denn jetzt geht erst recht gar nichts mehr: Ich muss lernen, mich selbst zu katheterisieren. Was? Wie bitte? Um das zu vermeiden, habe ich doch die Operation gemacht!

Nur zu gerne habe ich dem Arzt die Worte abgenommen: „Es ist eine kleine Sache, nach zehn bis vierzehn Tagen können Sie wieder zur Arbeit.“

Mein Fehler, ich habe nicht die richtigen Fragen gestellt. Ist den „Rückkehr zur Arbeitsstelle“ synonym zu Sport und Alltagstätigkeiten ohne Einschränkungen, ohne vorübergehende Interventionen? Eben nicht. Und da ich nicht im Büro arbeite, war zunächst nicht ans Arbeiten zu denken.

So sind es jetzt genau zwei Monate geworden! Was mich gedanklich schon zum nächsten Projekt bringt – dem Arbeitsplatz. Ich stelle mir nun Fragen, wie es weitergeht und ob es geht und wenn wie lange? Davon aber ein anderes Mal mehr.

Selbstkatheterisierung Vorübergehendes Mittel zum Zweck

Das unvermeidbare ist also die ISK. Das ist die Abkürzung für intermittierende Selbstkatheterisierung. Von Berufs wegen sollte ich das ja können. Trotzdem lasse ich es mir sehr gerne zeigen und bin froh um die Tipps. Das ist gar nicht so schwer, ein kleines bisschen wie einen Tampon einzulegen. Nur Ort und Material sind natürlich ganz was anderes.

Der Grund für die Massnahme ist, dass ich bis zu 400 ml Restharn in der Harnblase stehen hatte! Das ist verdammt viel, wenn man bedenkt, dass eine gesunde Frau bei 250 ml bereits das erste Mal Harndrang verspürt und sich dann bei etwa 350 ml Blaseninhalt auf den Weg zur Toilette macht. Die grosse Gefahr bei Restharn ist eine mögliche Blasenentzündung durch den „stehenden Urin“. Zudem „leiert“ die Blase mit der Zeit aus, so wie ein Ballon aus dem die Luft abgelassen wurde.

Leider habe ich mich am dritten Tag der ISK an der Harnröhre verletzt. Hölle. Die Firma, die mich dabei unterstützt, konnte mir die feineren Katheter nicht liefern und jetzt streike ich. Zudem scheint die Einstellung beim Stimulator nicht optimal zu sein. Der Stimulator hilft mir dabei, den Urin abzulassen. Ich stelle leider fest: Ich habe zunehmend mehr Beschwerden als vor der Operation! Ich muss unbedingt zum Arzt!

Ich kann mich auch nicht damit abfinden, die ISK für den Rest meines Lebens machen zu müssen. Ich fühle mich echt eingeschränkt dadurch. Wie soll das nur beim Open-Air-Festival gehen? Die hygienischen Bedingungen und Räumlichkeiten sind nicht gerade optimal. Zudem geniert es mich. Ich fühle mich unwohl und verletzlich. Unsexy, um es auch mal so zu sagen.

Next Stop: Termin beim Urologen. Kommt Zeit, kommt Rat.

Ich hatte nun den regulären postoperativen Termin beim Urologen. Ich bin nicht eher gegangen. Ich habe an mich selbst appelliert und um Geduld gebeten. Nun habe ich leider noch zusätzlich einen Infekt, der behandelt werden muss. Aber was soll’s!

Das Programm vom „Blasenschrittmacher“ wurde beim Arzt geändert und ich wurde gebeten, nächstes Mal früher zu kommen: Ist notiert. Verstanden.

Das Beste ist: Mit der ISK ging es schon am nächsten Tag viel besser! Der Infekt ist noch nicht weg, aber das dauert einige Tage. Und auch beim Thema Restharn zeigt sich Besserung: Der Restharn hat sich auf ein paar Milliliter reduziert! Es lohnt sich kaum mehr zu katheterisieren. Was ich vorher morgens und abends oder, wenn ich das Gefühl hatte, es sei nötig, tun musste, mache ich nun nur noch abends.

Die ISK ist jetzt zum Randprojekt geworden. Wie ich mich damit arrangieren werde und ob es noch besser wird, weiss ich nicht. Wie ich es in den Alltag integriere, wenn ich dann wirklich muss – gerade auch bezüglich des Open Airs – weiss ich nicht. Ich werde es dann sehen, wenn es soweit ist. Den ersten Berg habe ich überwunden und ich weiss, dass ich es schaffen kann. Und ja, das Open Air ist schon sehr bald und ich gehe hin!